Traumatische Psychosen. 7
solche, die von ihm durch einen kürzeren oder längeren
Zeitraum getrennt sind (sekundäre traumatische Psychosen).
Es handelt sich dabei indessen nicht immer um geschlossene
psychotische Bilder, sondern vielfach nur um gewisse psycho-
tische Elementarstörungen von eigenartiger Färbung.
Die unmittelbare Folge der mit Gehirnerschütterung ver-
bundenen Kopfverletzung ist ein Zustand von Bewußtlosigkeit,
der in schwereren Fällen längere Zeit andauert und mit Erbrechen
und Pulsverlangsamung verbunden ist, in leichten dagegen ohne
solche Begleiterscheinungen in kürzester Zeit vorübergeht. Der Nach-
weis, daß Bewußtlosigkeit bestanden hat, ist deshalb unter Umständen
nachträglich oft sehr schwer zu erbringen. Aus der Schwere der
Verletzung ist in dieser Hinsicht ein sicherer Schluß nicht zu ziehen,
da es wesentlich von der Angriffsweise des traumatischen Momentes
abhängt, ob dieses geeignet war, eine Gehirndurchschüttelung herbei-
zuführen oder nicht.
Beim Erwachen aus der Bewußtlosigkeit kann völliges Wohl-
befinden bestehen. Vielfach kommt es nach Gehirnerschütterungen
zu einer insofern eigenartigen Erinnerungsstörung, als
nicht nur der Unfall selbst und die auf ihn unmittelbar folgenden
Vorgänge, sondern mehr oder weniger auch die dem Unfall voraus-
gehenden, der gesunden Zeit angehörigen Ereignisse der Erinnerung
entzogen sind (retrograde Amnesie). Die Verletzten wissen
nicht, in welcher Situation sie sich zur Zeit des Unfalles befunden,
was sie etwa am Morgen des betreffenden Tages oder längere Zeit
vorher getan haben usw. In einem Falle meiner Beobachtung, bei
dem allerdings auch starker Alkoholismus bestand, hatte ein ver-
hältnismäßig leichter Unfall sogar eine sich auf mehrere Jahrzehnte
erstreckende retrograde Amnesie zur Folge.
Eine solche traumatisch bedingte retrograde Amnesie
beobachtet man häufig auch bei Individuen, die nach mißglückten
Erhängungsversuchen zum Bewußtsein zurückgebracht sind.
Diese Fälle haben auch zu den nachstehend besprochenen Formen in-
sofern eine Beziehung, als mit der Wiederherstellung der Zirkulation
und Respiration bei ihnen ein deliranter Zustand mit heftiger
motorischer Erregung aufzutreten pflegt, der mit dem sogleich
zu besprechenden traumatischen Delirium große Aehnlichkeit besitzt.
Wenn die Kranken dann nach Tagen erwachen, zeigen sie neben
stark herabgesetzter Merkfähigkeit das Symptom der retrograden
Amnesie meist in sehr ausgesprochener Weise.
Die primären traumatischen Psychosen werden im ganzen
häufiger vom Chirurgen als vom Psychiater beobachtet, wenigstens
in ihrem ersten Stadium, dem traumatischen Delirium,
welches sich unmittelbar an die durch das Trauma bedingte Be-
wußtlosigkeit anschließt: Die Kranken erwachen, kommen aber
zunächst nicht zu sich, sondern bleiben unklar, verkennen ihre Lage
und Umgebung und zeigen oft eine elementare Unruhe, indem sie den
Verband abreißen, aus dem Bett springen, sinnlos fortdrängen, um
sich schlagen, brüllen usw. Dabei fassen sie sich wohl an den Kopf
oder klagen in klareren Augenblicken auch direkt über Kopfweh.
Seltener treten in dieser Phase Sinnestäuschungen oder Stim-
mungsanomalien depressiver oder espansiver Art deutlich hervor.
Zuweilen schließt sich an eine kurzdauernde Bewußtlosigkeit ein
Dämmerzustand an, in dem die Kranken äußerlich unauffällig
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