Full text: Cammerlander und Vielfeld

öl — 
testanten, so sehr er sich auch gehütet hat, religiöse Polemik in 
das Narrenschiff hineinzutragen '). 
Stellen, wo im Original von der (katholischen) Beichte die 
Rede ist, fehlen (vgl. 19, 15—18; 34, 31—34; 38, 59—78). 
Unter den Beispielen, wie man die Mächtigen der Erde an ihre 
Sterblichkeit erinnere, fehlt gerade das den Papst betreffende (24, 
34 — 46 der Interpolation). Die Definition, die in dem umgearbeiteten 
Kap. 44 von dem Gotteshause gegeben wird, ist eine entschieden 
protestantische ?). — In der interpolierten Ausgabe, deren Verfer- 
tiger nach Zarnckes Meinung ein humanistisch gebildeter Ordens- 
mann gewesen sein wird, finden sich scharfe gegen den Klerus 
gerichtete Ausfälle: 3, 3f. die Geistlichen sind habgierig; 15, 5f. 
sie bauen für sich Paläste „als ob sie weren Cardinel‘‘, während 
durch das Kirchendach der Regen tropft; 34, 1f. statt der Bibel 
lesen sie „nüw hystorien‘‘ und „poeten, die von wolust yvnd bül- 
schafft schriben“, ib. 35 f. keiner ist mit dem Orden zufrieden, dem er 
angehört. Diese und ähnliche durch die veränderte soziale und 
moralische Stellung der reformierten Geistlichkeit gegenstandslos 
gewordenen Angriffe — als Material gegen die papistischen Pfaffen 
wollte der Herausgeber sie augenscheinlich nicht benutzen — sind 
im neuen Narrenschiffe einfach eliminiert worden, aus demselben 
Grunde, aus dem die Klagen über die in den Klöstern herrschende 
Zwietracht und Zügellosigkeit (7, 78—83; 36, 1f.; 383, 1—4 d, 
Int.) und etwa die Beschreibueg von unmodern gewordenen Trachten 
(27, 43—867. 76—99 d. Int.) gestrichen wurden. 
Die alt vnd new Schelmen Zunfft (Nr. 31). 
Kurz vor der zweiten Bearbeitung des Narrenschiffs hatte Vielfeld 
eine ähnliche Dichtung des zweiten berühmten Strassburger Dichters 
erneuert, die er in dramatische Form brachte *). 
1) Was Zarncke darüber bemerkt (S. XC), passt mehr auf andere Arbeiten 
Vielfelds als gerade auf den ‚Narrenspiegel‘: „Es war ein wunderliches Schicksal, 
dass gerade die Ausgabe des N. S., welche von einem asketischen Katholiken 
im Sinne des strengsten Katholizismus interpoliert worden war, jetzt in den 
Händen eines ebenso determinierten Protestanten sich zum Werkzeug für die 
diametral entgegengesetzten Absichten dieses zurechtschmieden lassen musste, 
denn polemisierend, im Sinne des entschiedenen Protestantismus, 
der gerade damals schärfer als je dem Katholizismus entgegentrat, weil er 
jetzt wirklich von ihm bedroht wurde, ist das Aussehen dieser neuen Bearbei- 
tung geworden, was hier ins Einzelne nicht durchgeführt werden kann.‘“ Wenn 
der Herausgeber wirklich gegen den Katholizismus hätte polemisieren wollen, 
so hätte er die Gelegenheit, die ihm in Kapiteln wie 30 (Von vile der pfrunden), 
73 (Geystlich werden), 103 (Vom endkrist) geboten war, ganz anders benutzt, 
2) „Das ist ein jeglich glaubig hertz — —. An steyn vnd holtz ist kleins 
gelegen, den armen soll man stewer geben, so hast den Tempel recht geehrt, 
vnd wirst von Gott deinr bitt gewert.“ 
_ 38) Gleichzeitig arbeitete Vielfeld an dem Nolhard, und das scheint der 
Grund zu sein, dass Kap. XXIV (Von reich steten reden) — ich citiere nach 
dem Hallenser Neudruck von Matthias. 1890 — von der Bearbeitung ausge- 
schlossen wurde, weil es Dinge berührt, die dort ausreichend behandelt sind.
	        
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