Scharfe Beschwerden.
721
Im Frühsommer des folgenden Jahres (1718) kam der König
selbst nach Königsberg; er hatte dabei die Absicht, auch die Handels—
beschwerden an Ort und Stelle untersuchen und möglichst abstellen zu
lassen. Zu diesem Zwecke wurden die Vorstellungen aller Beteiligten
eingefordert, und es liefen nun die zum Teil umfänglichen Denkschriften
der Magistrate, der Zünfte, der Gemeine und Gewerke, der in Königs-
berg wohnenden englischen und holländischen Kaufleute, wie der dort
sich aufhaltenden polnischen und russischen Kauf- und Edelleute ein.
Nach den starken Schilderungen des Vorjahres, nachdem die Kaufleute
im Dezember noch geklagt: wie sehr Königsberg vom Handel abgekommen,
ist mit keiner Feder zu beschreiben, hätte man nun einen Entrüstungs⸗
und Beschwerdesturm erwarten sollen, statt dessen war es nur eine
matte Wiederholung von öfters vorgebrachten Wünschen, zum Teil
kleinlicher Natur.
Über die Werbungen wurde nicht geklagt, nur über die übermäßige
Einquartierung, worauf der König auch eine Verminderung der Garnison
versprach. Das wichtigste war, was über die Handelsverfassung und
das Verhältnis des bürgerlichen und fremden Handels besprochen wurde.
Es ist für die Sachlage bezeichnend, daß die Bürger trotz der ihnen
so günstigen Wettordnung von 1718 sich viel stärker über die bestehenden
Verhältnisse beschwerten als die Fremden, die durch eben diese Ordnung
aufs äußerste eingeschränkt waren. Eben weil deren Bestimmungen
—
keinen Nutzen von ihr, sondern nur Enttäuschung. Sie sahen, daß die
großen Handelsgewinne nicht ihnen durch ihr strenges Stapelrecht
sichergestellt wurden, sondern den Fremden durch den Kommissions-
handel zuflossen. Dazu kamen nach ihrer Meinung unzulässige Neue—
rungen und spekulative Handelsgebräuche, wozu sie das Salzaufschütten
rechneten, sowie neuerdings aufgekommene Zeit- und Lieferungsgeschäfte.
Die Zünfte stellten in ihrer heftigen und übertriebenen Weise vor:!)
Das Kommerzium wird durch die fremden Lieger gedrückt und ist
schier zum gänzlichen Ruin gebracht worden, seitdem diese hier be—
ständige domicilia angerichtet, deren Bürgerrechte teils heimlich, teils mit
gewaltsamem Raisonnieren und öffentlich an sich gerissen, die Kommuni—
kation nicht allein in die kleinen Städte, sondern auch in benachbarte
1) 10. Juni 1718 (Königsbg. Ostpr. Fol. 13 821).
Acta Borussica. Handels-, Zoll- und Alzisepolitik II.