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Sechster Teil.
Die Stettiner wußten schon auf der Frankfurter Frühjahrsmesse
zu erzählen, daß der Leinsamenhandel zu Memel sehr zu fallen und
sich nach Libau zu ziehen beginne, daß 1723 von Libau über 7000,
von Memel nicht über 1500 Tonnen ausgeschifft worden seien, woran
die verbotene Einfuhr des Boysalzes Ursache wäre, das die Polen
allein zum Einsalzen des Fleisches gebrauchten.)
Der König, der im Sommer wieder nach Preußen kam, ließ sich
auch endlich bewegen, den Königsberger Kaufleuten die Einfuhr von
jährlich 4000 Last Franzsalz, d. h. des für den polnischen Handel
nötigen Durchschnittsquantums, zu gestatten, natürlich nur für den
Absatz außer Landes.) Fremde waren davon so streng ausgeschlossen,
daß jeder Bürger, so oft er Boysalz aufschütten wollte, auf dem Rat⸗
hause an Eidesstatt auf sein Gewissen aussagen mußte, es sei nicht
für Fremde, sondern für eigene Rechnung.?)
Aber die kaum belebten Hoffnungen auf Wiederherstellung des
polnischen Handels zerstörte der König schon im nächsten Monat
wieder, indem er wegen einer guten Inlandernte, um alles fremde Ge—
wreide desto sicherer vom Konsum auszuschließen, alle Einfuhr pol⸗
nischen Getreides nach Preußen auf der Achse gänzlich verbot.) Zwar
wurde schon balds) wieder die Einfuhr zum auswärtigen Debit — also
nur auf die Speichermärkte — freigegeben, aber jene übereilte Maßregel
hatte schon genug Schaden gestiftet. Die auswärtigen Landfuhren waren
nach Danzig, Riga u. a. O. gegangen, damit blieb auch die herbstliche
Zufuhr von Leinsaat aus, die überseeischen Kaufleute richteten ihre
Kommissionen an andere Orte. Auch Hanf kam so wenig, daß das
Schiffpfund auf 40 fl. stieg, während der beste in Riga 27 fl. kostete,
daher die Holländer und Engländer dort bestellten. In Königsberg
mangelte es an Nachfrage und an Schiffsräumen derart, daß die gute
Tilsiter und Memeler Säeleinsaat größtenteils mit bedeutendem Ver⸗
lust als Schlagsaat abgesetzt werden mußte, und daß die Frachten für
die Ausfuhr des Roggens auf das doppelte stiegen. Als sie im Früh⸗
2) Stadt Stettin V, 1, 209 b.
2) Resolution v. 3. Jult 1724 (s. oben S. 456).
8) Kgl. Reskript v. 8. November 1724 (Gen.⸗Dir. Ostpr. 22, 15)).
qj Gedr. Patent v. 8. Aug. 1724 (Kbg. 7142; (A. B., Getr.-Hand. II. 2265.)
3) Gedr. Vatent v. 30. Nop. 1724. (Ebda.)