304
Sechster Teil.
habende Kaufleute, die Warenvorräte anschaffen und den Lieferanten
Kredit geben konnten, und es sei „bei der bekannten Nachlässigkeit
und Uneinigkeit der Polen“ nicht zu glauben, daß sie solchen Mängeln
so leicht abhelfen würden. Vor allem aber würden die litauischen
Adligen, die gewohnt waren, mit den Königsberger Kaufleuten zu
kontrahieren und gegen Vorschüsse eigene und andere Waren auf
ihren Gefäßen herabzuschiffen, sich diese Frachtschiffahrt und den Handel
mit der ersten Hand in Königsberg nicht nehmen lassen.
In Preußen wurde ebenfalls darauf gehalten, daß niemand nach
Polen handelte oder auch nur ihnen an die Grenze entgegenfuhr,
damit die Zufuhr nicht unterbunden werde. Die Memelsche Wett—
ordnung von 1667 verbot allen Handel in den litauischen Grenzstädten,
selbst in den Jahrmärkten. Alles Besprechen polnischer Waren, alle
Krämerei an den Grenzen war von den Memeler und Tilsiter Kaufleuten
als strafbare Hausiererei verwehrt, keine Juden und Höker durften sich
an den Grenzen ansetzen.) Man befürchtete nicht mit Unrecht, daß
mn den bisherigen direkten Handelsverkehr zwischen den beiden Gebieten
sich die litauischen Juden als Zwischenhändler hineindrängen, ihn nach
Belieben leiten und sogar ablenken könnten.
Tilsit hatte durch seine Lage einen starken Verkehr mit Litauen,
es gab dort Großhändler, die Warenlager hielten und nur en gros,
an die Krämer, verkauften. Jene wollten den Königsberger Kaufleuten
sogar verwehren, außerhalb der Jahrmärkte Waren dahinzubringen
und auch nur on gros an dortige Kaufleute zu verhandeln. Gelegent⸗
lich haben es aber unternehmende Königsberger Kaufleute sogar ver⸗
sucht, Warenlager an den Grenzen anzulegen oder gar Waren auf ihr
Risiko ins Polnische zu schicken, um sie da durch jüdische Mäkler ver—
kaufen zu lassen. Aber solcher Handel wurde ihnen nicht nur von
der preußischen Kammer bei hoher Geldstrafe untersagt, sondern die
Tilsiter Kaufleute legten auch auf die zu Wasser nach Osten durch—
gehenden Waren Arreste. Diese Selbsthilfe wurde ihnen allerdings
berwiesen und ihnen befohlen, den verursachten Schaden zu ersetzen;
auch wurde nun eine Untersuchung angeordnet, wieweit den Königs—
berger Kaufleuten die Abschickung der Waren nach Polen ohne Nach—
teil das commercii und beider Städte Nahrung zu verstatten sei.?)
) Beucht der litauischen Kammer 21. Jult 1738 (Gen.«Dir. Ostpr. 22, 29)
2) Resfkripte. Berlin 15. August 1738 u. 24. Juli 1739 (Ostpr. 22,. 29).