Full text: Dialogform und Argument

B. Auswahl und Rangfolge (5S43c4-545c 7) 
9% 
Jung der Tyrannis ergibt sich aus ihrer vorgegebenen Position als 
Extremfall der Ungerechtigkeit. ?%1 Erklärungsbedarf besteht also 
noch für die relativen Positionen von Demokratie und Oligarchie 
an den beiden mittleren Plätzen. 
Natürlich, so muß man fast sagen, ist auch die Zurücksetzung 
der Demokratie hinter die Oligarchie als Beleg für Platons antide- 
mokratische Gesinnung gedeutet worden.?® Verbunden wird diese 
simplifizierende Umdeutung eines literarischen Befunds zum bio- 
graphischen Faktum oft noch mit diversen Mutmaßungen: Einmal 
mache Platons aristokratische Abstammung ihn entsprechender Ge- 
sinnung von vornherein verdächtig,? zum anderen lasse sich die- 
ser Verdacht an den politischen ‚Karrieren‘ von Platons Verwand- 
ten Charmides und Kritias erhärten, von denen letzterer bekannt- 
lich sogar als Führer der von Sparta zunächst gestützten oligarchi- 
schen Gruppe der ‚dreißig Tyrannen‘ fungiert hat.?2 Bei genauerer 
Betrachtung weist das zuletzt genannte Argument allerdings in 
eine ganz andere Richtung: Anstatt sich, wie es gerade diese ver- 
wandtschaftlichen Verhältnisse ermöglicht und nahegelegt hätten, 
an den Umtrieben der Dreißig zu beteiligen, hat Platon sich of- 
fenbar von ihnen distanziert.?®5 Die übrigen biographischen Mut- 
maßungen stehen ohnehin auf tönernen Füßen. 2% 
In der ‘Politeia’ wird man eine sokratische Sympathie für die 
Oligarchie kaum beobachten können. Mit der Kennzeichnung der 
Oligarchie als einer ‚mit vielen üblen Dingen bis zum Rand gefüll- 
ten Verfassung‘ (544 c 3-5) sowie mit ihrer späteren Beschreibung, 
Korrelativ des mittleren Standes zu sein; eine psychologische Begründung in 
440 a8 ff. 
261 Vgl. oben S.19. 
262 Eher vage spricht Ryffel [1949] 109 von der „affektiven Spannung, in 
welcher Platon zu einzelnen historischen Verkörperungen seiner Verfassungs- 
Zide gestanden“ habe, Andere Interpreten schlagen deutlichere Töne an. 
263 In diesem Sinne neuerdings etwa wieder Prior [1990] 127, der mutmaßt, 
wahrscheinlich sei in den aristokratischen Zirkeln, in denen Platon wohl ver- 
<ehrt habe, die Oligarchie höher geschätzt worden als die Demokratie. Gegen 
solche Spekulationen schlagend bereits Maurer [1970] 42 Anm.6. 
264 Vgl. oben S.87f. mit Anm. 234, 
265 Vgl. den Siebten Brief’ 324c1-325a5. Einen Angriffspunkt wie platoni- 
sche Sympathie für das verpönte Regime der Dreißig hätte sich die spätere 
platonfeindliche Berichterstattung auf keinen Fall entgehen lassen, 
266 Vol. oben S.62-64 mit den Anmerkungen 156-158.
	        
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