Full text: Dialogform und Argument

Kapitel II: 
Der Wandel der Ordnungen 
Obgleich das Gesprächsziel, wie es in der Politeia’ konzipiert ist, 
zunächst nur die Darstellung der gerechtesten und der ungerechte- 
sten Ordnung erwarten läßt, stellt Sokrates in den Büchern VIII 
und IX vier ungerechte Ordnungen vor und bringt sie in eine Rei- 
henfolge, die offenbar teils sachlichen, teils darstellerischen Er- 
wägungen folgt. So ergibt sich die Reihe ‚Timokratie-Oligarchie- 
Demokratie-Tyrannis‘. 282 
Eine ganz neue Bedeutung gewinnt diese Reihenfolge ab 545c8. 
Denn hier spricht Sokrates von Übergängen zwischen den Verfas- 
sungen und macht sich daran, diese Übergänge darzustellen; dabei 
scheut er nicht einmal davor zurück, auch die gute Ordnung sich 
auflösen und in eine schlechtere Ordnung wandeln zu lassen. So- 
mit gewinnt die Reihenfolge, die man bis dahin für eine rein’ dar- 
stellerische Abfolge halten konnte, die Bedeutung einer Aufzählung 
der Stationen eines fortlaufenden Verwandlungsprozesses, dessen 
Darstellung im folgenden erheblicher Raum zugemessen wird. *° 
Vorangegangen waren immerhin zwei Andeutungen. In 449 a7-8 
hatte Sokrates davon gesprochen, er wolle die vier schlechten 
Verfassungen der Reihe nach so aufzählen, wie sie sich seiner 
Ansicht nach auseinander entwickelten.?8* In 544c5-6 hatte er 
282 Dazu im einzelnen Kap. 11. 
283 Behandelt werden in 545 c 8-576 b 10 nacheinander die timokratische, die 
oligarchische, die demokratische und die tyrannische Ordnung, jeweils in ihrer 
politischen und seelischen Ausprägung. Jede dieser acht Beschreibungen ist 
nochmals differenziert in Entstehung und Zustand. Die acht Abschnitte, in de- 
nen die Entstehung der jeweiligen Ordnung, also der Wandel der Ordnungen 
dargestellt ist, umfassen also der Konzeption nach im fraglichen Abschnitt die 
Hälfte des Textes, in Wirklichkeit sogar etwas über die Hälfte (bei Zählung 
nach Wörtern oder Buchstaben jeweils rund 56%). 
284 Kal &yO uev Ha TAG EqeENg Eo®v, &c MoL Eqalvovto Exaotal ES 
&AArhAOv uetaßaiveıv. Auffällig ist, wie selbstverständlich Sokrates dort von 
einer gegebenen Reihenfolge ausgeht und wie unmotiviert er eine Entwicklung 
der Verfassungen auseinander ins Spiel bringt (unverfänglicher wird die Aussage
	        
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