©. Der Kernbereich der Analogie
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igkeit der Darstellung dienen; in anderen Fällen ist die Analogie
jedoch von zentraler Bedeutung für das sokratische Argument.
Durch die Summe all der ‚Analoga‘, die Sokrates in den Büchern
VIII und IX anzuführen nicht müde wird, wird das Ähnlichkeits-
verhältnis nicht nur unentwegt in Erinnerung gebracht, sondern,
wie es scheint, auch immer wieder belegt.*7 So kann an den ent-
scheidenden Punkten bedenkenlos auf die Analogie zurückgegriffen
werden. 438
C. Der Kernbereich der Analogie
Diese entscheidenden Punkte sind der funktionale Kernbereich der
Analogie, der Gestaltung und Inhalt des sokratischen Arguments
unmittelbar beeinflußt. Er läßt sich durch drei Aussagen umgren-
zen:®? a) Polis und Seele haben einen analogen Aufbau; b) ihre
Vorzüge (Tugenden) und Fehler lassen sich auf analoge (oder ana-
log wirkende) Weise beschreiben und erklären; c) diese Vorzüge
und Fehler bewirken in analoger (oder analog beschreibbarer)
Weise Glück und Unglück der Menschen.
Zu a gehören vor allem die Punkte, daß in der Polis, ebenso wie
in der Seele, unterschiedliche Bestrebungen vorhanden und mit un-
terschiedlichen Instanzen verknüpft sind, daß jeweils eine dieser
437 In der durch 553e1-554b3 und 555a8-b2 umrahmten Partie führt So-
krates anhand des Aufweises von Ähnlichkeiten zwischen Polis und Mensch
explizit den Nachweis, daß der dort beschriebene geldgierige Mensch der olig-
archische Mensch ist; nicht wenige der dabei angeführten ‚Ähnlichkeiten‘
kommen jedoch eher durch sokratische Formulierungskunst zustande als daß sie
auf Ähnlichkeiten verweisen, die auch der Sache nach bestehen (vgl. den
Kommentar zu 554a2-555b2). Reminiszenz an 555a8-b1 ist 562a1-2 (beim
demokratischen Menschen). Ansonsten wird die Ähnlichkeit explizit behauptet
(Timokratie: 548 d6-7. 549b9-10; Oligarchie: 553a3; Demokratie: 555b5.
558c 8. 562a1-2; u.a.) oder durch gezielte Ähnlichkeiten in Vokabular, Aus-
drucksweise und Aufbau der Polis und Seele betreffenden Abschnitte augenfäl-
lig gemacht; gelegentlich wird auf die Ähnlichkeit noch ausdrücklich hinge-
wiesen (559e 4-7. 5S61e4-5. 575a2-3).
438 Annas [1981] 295 meint, die Analogie zwischen den vier schlechten
Städten und Menschen sei noch brüchiger als die zwischen der guten Stadt und
lem guten Menschen.
439 Vgl. Wilson [1983] 34-42, der auf ähnliche Weise ‘relevant’ und “irrele-
vant features’ der Analogie unterscheidet.