Full text: Dialogform und Argument

D. Die Grenzen der Analogie 
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keit (Ehrgeiz, Geldgier, Freiheitsgier und zügellose Triebhaftig- 
keit) ist hingegen verwirklicht, wenn eine der zur Herrschaft nicht 
bestimmten Instanzen sich auflehnt und die Herrschaft an sich 
reißt (444 b 1-9). 1444 
Sachverhalt c basiert darauf, daß zu jedem potentiellen Macht- 
haber in Polis und Seele das Streben nach einem bestimmten Ob- 
jekt gehört (547b2-7. e3-4. 548c6-7. 550b6-7. 553b7-d7. 
555b8-c6 etc.; ferner 581a3-b11); die Aktualisierung der Herr- 
schaft macht dieses Streben maßgeblich für die Polis oder Seele 
im ganzen. Glück und Unglück kommen auf zwei Wegen ins 
Spiel: Erstens kann die Erfüllung von Wünschen befriedigend oder 
unbefriedigend sein; befriedigend ist es, vernünftige Wünsche in 
vernünftiger Weise zu erfüllen, während die Erfüllung unvernünfti- 
ger und maßloser Wünsche nur die Gier steigert. Ob es zum 
Glück beiträgt, die Ziele des eigenen Strebens zu erreichen, hängt 
also davon ab, ob die richtigen Ziele erreicht werden und ob sie 
im richtigen Maße und auf die richtige Weise erreicht werden. 
Zweitens zielt gerechte Herrschaft auf Erlangung dessen, was für 
alle Instanzen in Polis und Seele gut ist und ihren wohlverstande- 
nen Interessen dient; wird dieses Ziel erreicht, so herrscht in der 
Polis bzw. in der Seele Zufriedenheit und Konfliktlosigkeit, Har- 
monie und Einheit. Ungerechte Herrschaft intendiert hingegen den 
(vermeintlichen) Vorteil des Herrschenden, woraus Unzufriedenheit 
der Beherrschten, Konflikt (ot&oıc) und Verlust der Einheit resul- 
tieren. 45 
D. Die Grenzen der Analogie 
Außer bei den eben genannten Punkten, bei denen das sokratische 
Argument auf der Ähnlichkeit zwischen Polis und Seele basiert, 
betont Sokrates die Ähnlichkeit an zahlreichen weiteren Stellen. 
geführt wird, hat, wie sich zeigen ließe, darstellerische und taktische Gründe; 
vor allem erlaubt es, die Gerechtigkeit in 432d2-433b6 als längst verwirklicht 
(369e2-370c6) zu ‚entdecken‘, wobei ‚das Seine tun‘ inhaltlich umgedeutet 
wird: vgl. unten Anm. 726. 
144 Angesichts der in Buch IV postulierten Dreizahl der Seeleninstanzen 
würde man demnach zwei Formen der Ungerechtigkeit erwarten dürfen. Ge- 
schildert werden jedoch vier. Zur Erklärung dieser Diskrepanz siehe Kap.1I. 
445 Vol. S.91-95, S.223-225 und S.230f.
	        
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