Full text: Dialogform und Argument

G. Die Konzeption der politischen Ordnung 
‘97 
als Ankündigung einer Verfassungsdiskussion, so wirft sie also 
mindestens Fragen auf. 
Gegen die Annahme einer Verfassungsdebatte spricht bei nähe- 
rem Zusehen auch die sokratische Auswahl der Verfassungen. Ei- 
nerseits fehlt mit der Monarchie eine der wichtigsten und in Ver- 
fassungsdebatten üblicherweise berücksichtigten Verfassungen, an- 
dererseits wird mit der kretisch-lakonischen Ordnung, für die kurz 
darauf die Bezeichnung Timokratie erfunden wird, eine Verfassung 
einbezogen, die außerhalb der ‘Politeia’ als eigenständiger Verfas- 
sungstypus nicht existiert. 541 
Befremdlich muß für den, der politische Ausführungen erwartet, 
aber vor allem die gleich anschließende Behauptung klingen, un- 
terschiedliche Verfassungen seien nicht auf unterschiedliche Orga- 
nisationsformen der Macht, sondern auf unterschiedliche Charak- 
tere zurückzuführen (544d6-e3).5* Spätestens hier deutet sich 
eine eklatante Diskrepanz zur üblichen Konzeption politischer 
Ordnungen an. Es sind offenbar nicht politische, sondern psycho- 
logische Gegebenheiten, an denen Sokrates die Unterschiede zwi- 
schen seinen Verfassungen festmachen möchte. 5% 
Für denjenigen, der sich über die Konzeption der sokratischen 
Ordnungen Gedanken macht, bringt der anschließende Abschnitt 
544e7-545b2 eine Klärung. Denn dort erscheinen nicht nur 
drei politische Termini (oligarchisch, demokratisch, tyrannisch) of- 
fenbar in gleicher Funktion neben psychologischen Begriffen (sieg- 
süchtig, geltungssüchtig), sondern zusammengenommen erscheinen 
541 Vgl. oben S.76-85. 
542 0100’ o5v, Hv 8’ Ey, Ötı xal dAvOoGnwV ELöN TOoOAaÜTA AvAyXn TEÖOTNWV 
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543 Vgl. den Kommentar zu 544 d6-e 6. 
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