Full text: Dialogform und Argument

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V. Seele und Seeleninstanzen 
Auffassung, die wuxY trage nach dem Tod des Menschen dessen 
individuelle Züge,°l° ein wichtiger Ausgangspunkt für eine Bedeu- 
tungsentwicklung gewesen sein, in deren Verlauf die wuyx% auch 
im lebenden Menschen zum Sitz der unverwechselbaren Individua- 
lität wurde. °!!) Ein bedeutsamer Schritt in der Entwicklung der 
puxN zum Antrieb des Menschen und zum Auslöser von Handlun- 
gen wird greifbar bei Heraklit, der das rationale Element des 
Menschen, den X\öroc, mit der wuyY assoziiert hat;°!? in späteren 
Texten, etwa in der Tragödie, kann der Begriff yuy% auch nicht- 
rationale Antriebe kennzeichnen, wie man sie ursprünglich vor al- 
lem mit der Triebkraft $uw6c verbunden hatte. 13 
Am Ende der (damit nur sehr grob skizzierten) Entwicklung ist 
die wuyXT eindeutig zu einem psychischen Agens geworden, in dem 
sich (potentiell) rationale und nichtrationale Antriebe vereinen. 
Parallel dazu verschwindet, wie stark sinkende Belegzahlen und 
Bedeutungsverengungen bei Begriffen wie 9uuöc zeigen,°14 die Re- 
deweise von einer Vielzahl eigenständig agierender Seeleninstan- 
zen aus dem aktiven Sprachgebrauch; bekannt blieb diese Vorstel- 
Jung aber, schon angesichts der Berühmtheit der homerischen 
schen Dichter an der ‚Totenseele‘ erklärt. Diese Erklärung wirkt angesichts des 
Befunds jedoch künstlich: Angesichts der Tatsache, daß die uns bekannten 
epischen Texte immerhin rund 2000 Belegstellen für das Wirken seelischer 
Triebkräfte enthalten, ist kaum glaubhaft, daß ein unter den Zeitgenossen 
gängiger Wortgebrauch, in dem die vux“ Triebkraft war, im Epos ganz und gar 
spurlos geblieben wäre. 
510 Siehe etwa “‘Illias’ XXIII 103-104 oder ‘Odyssee’ Buch XI, wo Odysseus 
in der Unterwelt die wuxai der Gefährten und anderer Personen identifizieren 
kann, 
511 Diese ansprechende Vermutung zuletzt bei Darcus Sullivan [1995]. Zur 
Bedeutungsentwicklung von wux“ ebd. 76-122, ferner Claus [1981] 59-183. 
Bei Platon können yux4 und Individuum gleichgesetzt werden, so daß man sa- 
gen kann, beim Tode sterbe zwar der Leib, der Mensch selbst aber lebe fort: 
Phd.115c3-116 a1; Lg.959a4-d1 u.a. 
612 VS 22 B45. B115; vgl. B85; zu den schwierigen Fragmenten s. etwa 
Zlaus [1981] 125-138; Solmsen [1983] 362 Anm.33; D. Rankin, Emerita 62, 
1994, 289-294; Darcus Sullivan [1995] 115. 
513 wuxN erscheint als Auslöser sexuellen Begehrens, als Auslöser von Kühn- 
heit, Mut und Aggression, von Trauer und Mitleid und, wie der epische Ouuög, 
als Partner im Selbstgespräch (Sophokles, ‘Antigone’ 225-227); die Belege bei 
Claus [1981] 59-183. — Zum 9uvuög auch unten S.233f, 
514 Dazu vgl. Hist. WB. Philos., Art. ‚Ouu6c‘ (wie Anm. 606).
	        
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