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V. Seele und Seeleninstanzen
instanzen, 2b ihrer Nutzung für das sokratische Argument. Die
Auffassung, in der Politeia’ solle eine in sich konsequent ausgear-
beitete Seelenlehre präsentiert werden, hat im Text nicht nur kei-
nen Anhalt, sondern ist mit ihm offensichtlich schwer zu verein-
baren. Wie auch andere Beobachtungen zeigen.
B. Zur sogenannten ‚Psychologie‘ der ‘Politeia’
Es ist nicht schwierig, das psychologische Schema zu erkennen,
dessen Gültigkeit Sokrates in der ‘Politeia’ suggeriert. Dieses
Schema stößt jedoch bereits in der ‘Politeia’ selbst an Grenzen
und läßt sich vielleicht gar nicht vollkommen konsistent herstel-
len.
Die primäre Einteilung der Seeleninstanzen, die in Buch IV vor-
genommen wird, unterscheidet zwischen drei Seeleninstanzen,
nämlich einer vernünftigen und auf Einsicht bedachten (tö
Aoyıotıx6v, später z.B. auch td culöoogpov), einer aggressiven,
sich ereifernden und auf Sieg und Vorrang bedachten (tö
SuposıSEc, später z.B. auch td pılötıuov) und einer triebhaft be-
gehrlichen Instanz (tö Erı9uuntıx6v, später z.B. auch tö
epLAoypiuatov). Alle drei Instanzen können also auch mit
pi\o6-Komposita benannt werden, und zwei von ihnen tragen im
Namen als Wortbestandteil die alte epische Triebkraft S9up6c.
Intendiert ist in der ‘Politeia’ etwa folgendes Schema: Alle See-
leninstanzen sind Triebkräfte, die dem Menschen ein Streben im-
plantieren, sie unterscheiden sich aber hinsichtlich der Objekte
des Strebens. Das vernünftige Element in der Seele (tö
Aoyıotıx6öv) strebt material nach Erkenntnis, formal nach dem,
was für die Seele (den Menschen) und ihre Instanzen richtig und
gut ist;® das streitlustige Element (td SuuoeLtSEc) strebt material
längerfristig seinen Ehrgeiz befriedigen zu können), ist angesichts der Tatsa-
che, daß Sokrates mit 2a und 2b zwei ganz unterschiedliche Sachverhalte
kombiniert, wohl unvermeidlich; zu solchen Spannungen kommt es auch, wenn
man “‘normative’ und ‘direct rule’ anders kombiniert (etwa in Kloskos Lösung).
Daß diese Spannungen bei der Seeleninstanz OuuwoeS£g besonders evident sind,
verweist im übrigen auf die besonders problematische Konzeption dieses An-
triebs (s.u. S.232-238).
656 Ähnliche Züge erkennt Schmitt [1990] 174-221 bereits dem epischen
vooc zu.