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V. Seele und Seeleninstanzen
die Konzeption der Seeleninstanzen in den Büchern VIII und IX
erfordert, muß das $uposL3SE&c anders geartet sein. °77
Mehrdeutig ist der Begriff Sup oeıS£g im übrigen nicht nur auf-
grund der Vielschichtigkeit seines ersten Wortbestandteils, sondern
zudem noch aufgrund doppelter Ausdeutung der Wortbildung:
DuposıSHc bedeutet beim Menschen oder beim Tier offenbar ‚vol-
ler dupöc‘,°78 bei der seelischen Instanz jedoch ‚Supöc-artig‘.°?9
In der bisherigen Diskussion um SuuwostS£&c bei Platon ist dieser
Befund, soweit ich sehe, nur zum Teil beachtet. °89
Ad 2: In Buch IV (434d2-441c 8) werden, entsprechend den drei
Klassen der guten Polis, die drei genannten Seeleninstanzen ein-
geführt. In den Büchern VIII (558d48-559d3) und IX
(571a7-572b9) wird die Zahl der Seeleninstanzen durch die Un-
terteilung der Triebe in notwendige (&vayxaları), nichtnotwendige
(00x &vayxatarı) und abnorme Triebe (mapdvopor &rı9uplar) auf
insgesamt fünf ausgeweitet; so läßt sich die in 544d6-545c7 an-
gekündigte Darstellung der fünf Menschentypen mit der oben er-
läuterten Konzeption der seelischen Herrschaft vereinbaren. Im
677 Der Typus des Timokraten wird vom OuuoELdegc geformt. Der Typus des
Wächters der guten Polis wird vom OvwWoeLötg nicht geformt. Er wird von der
vernünftigen Instanz geformt, die auch dem Wächter die Lebensziele vorgibt
(vgl. 590c8-591a4). Daß die Lebensweise des Wächters so geartet ist, daß
sie (auch) sein DuuoeLStc zufriedenstellt, ist ein anderer Sachverhalt.
578 Etwa 375a11. 376c4. 411b7 (vs. &Ouuoc). 456a4 (vs. &0vuoc) etc.;
im selben Sinn die 16 Belege bei Xenophon. Analogbildungen für -eıöNg =
‚voll von‘ sind freilich sehr dünn gesät; möglicherweise hat hier, was näher zu
untersuchen wäre, die durch ihren Gebrauch dokumentierte semantische Nähe
zwischen den epischen Adjektiven nepgoeıöNg ‚nebelartig‘ und HeEQöeELG ‚voller
Nebel‘ eine Rolle gespielt.
579 Etwa 435e4. 440e3 (vgl. 439e3. 440a5. b4. c5). 441a2. 442C1 etc.
An Analogbildungen für -eıöNg = ‚-ähnlich‘ oder ‚-artig‘ ist bei Platon kein
Mangel (HALoeLöNGc, OeoELöNg, NOOELÖNG, MNEDATOELÖNG, 0ApDKOELÖNG,
DJWUATOELÖNG etc.).
580 Die in der Wortbildung liegende Mehrdeutigkeit hat Droste [1886] 13-17
entdeckt; die Entdeckung ist, soweit ich sehe, niemals aufgegriffen oder ver-
wertet worden, Auch die Sachverhalte, daß das OuuoeLStg einmal Analogon der
Wächter, einmal Analogon der Timokraten ist, und daß es in Buch IV als
Handlungsauslöser, in den Büchem VIII und IX als Lieferant einer Lebensori-
entierung fungiert, sind in bisherigen Diskussion weitgehend außer acht geblie-
ben. — Hinweisen kann man ergänzend auf die selbst keineswegs einheitliche
und zur ‘Politeia’ nicht immer kompatible Konzeption des Ouwöc in den ‘Nomoi’
(vgl. T. Robinson [1970] 124f.)