Full text: Dialogform und Argument

C. Persuasive Techniken 
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nur Gegenbeispiele liefert.®1? Somit stellt sich klarerweise die 
Frage, was von der These zu halten ist, und weswegen Sokrates 
sie einführt. — Die in 559c3-d3 erfolgende Gleichsetzung der 
notwendigen Triebe mit dem aus 555b8-556c7 bekannten oligar- 
chischen Geldtrieb ist problematisch, was erkennbar wird an der 
Diskrepanz zu der (nur zufällig?) unmittelbar (!) vorausgehenden 
(558 c11-559c2) Bestimmung der notwendigen Triebe.28 — Die 
Unhaltbarkeit der Behauptung, der demokratische Mensch lasse all 
seinen Trieben, den notwendigen wie den nichtnotwendigen, freien 
Lauf (S61a6-e2), liegt für denjenigen auf der Hand, der bereits 
weiß, daß zu den nichtnotwendigen Trieben auch die abnormen 
Triebe zählen; 81? wie um diesen naheliegenden Einwand nachträg- 
lich zu bestätigen, erfolgt bei der Darstellung der Genese des de- 
mokratischen Menschen eine ganz offensichtliche Umdeutung 
(572d2-3).820 
Auch bei der Entdeckung und Beurteilung impliziter und unver- 
merkt vorgenommener Setzungen besitzt der Leser des Dialogs 
vor den Dialogfiguren Glaukon und Adeimantos einen entscheiden- 
den Vorteil. Denn auch verborgene Setzungen sind für denjenigen, 
der bereits weiß oder jedenfalls wissen kann, was sich aus ihnen 
ergibt und welche Rolle sie für den Fortgang des Gesprächs spie- 
len, erkennbar; mit anderen Worten: sie sind erkennbar für denje- 
nigen, der sich nicht damit zufriedengibt zu konstatieren, daß, 
sondern sich eigenständige Gedanken über den Weg macht, auf 
dem Sokrates seine argumentativen Ziele erreicht. — So hängt 
beispielsweise der gesamte Verlauf des Verfassungswandels in den 
Büchern VIII und IX auch an der in 544c1-7 }eingeführten Rang- 
folge der vier schlechten Ordnungen; hat man dies erst erkannt, 
so liegt die Frage, wie diese Rangfolge zustandekommt, recht 
nahe. Ein Blick in den Text zeigt sodann, daß Sokrates die Rang- 
folge weder diskutiert noch begründet; der Leser darf dies sicher- 
lich als Aufforderung verstehen, sich über diesen Punkt seine ei- 
genen Gedanken zu machen. ?21 
818 Vgl. S.272-275. 
819 Vgl. 8.277. 
820 Dazu oben S.265-268. 
821 Vgl. oben S.67-71 und S.98-104. — Das Faktum, daß sich entspre- 
chende Fragen in der immensen Sekundärliteratur zur ‘Politeia’ bisher kaum 
finden, belegt m.E. nicht, daß diese Rekonstruktion der Autorintentionen
	        
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