Full text: "Nur deshalb sind dem Tode wir entronnen, damit wir an dem Frieden bau'n"

Ecken und Enden das Gebrüll der SS-Leufe und Aufseherinnen und wurde 
Zeuge der unbeschreiblichen Prügelszenen. An den Nähmaschinen sah 
man nur bleiche, ängstlich blickende, rastlos arbeitende Frauen. Je näher 
der schlagende SS-Mann kam, um so fahriger und unruhiger wurden die 
gequälten Menschen. Pensum, Pensum, das war die Parole! War ein 
Pensum glücklich herausgeschunden, wurde es prompt erhöht und schließlich 
durch Nachhilfe von Schlägen auch erreicht. Nur ein Beispiel: Ursprünglich 
wurde bei den Tarnjacken ein Pensum pro Band und zwölfstündiger 
Arbeitszeit von 120 Stück verlangt. Später sollten die Frauen 2 20 Stück 
vom gleichen Artikel herstellen, obwohl die Arbeitszeit wegen Strom 
mangels auf acht Stunden herabgesetzt werden mußte. Das war einfach 
unmöglich, denn die Lebenshaltung im Lager war immer schon an der 
untersten Grenze des Durchschnitts. Ab 1945 gab es neben der immer 
kleiner werdenden Brotration nur einmal täglich eine fast ungenießbare 
Steckrübensuppe, in der als einzige Zugabe Kartoffelschalen schwammen. 
Obwohl den Häftlingen als Langarbeiter schon seit Jahren eine Zulage 
vom Wirtschaftsamt zustand, nämlich eine Scheibe Brot und 30 Gramm 
Wurst pro Tag, so bekamen sie diese erst im letzten Halbjahr. Die ganze 
Zeit vorher hatte die Lagerleitung diese Zulage bezogen und den Häft 
lingen unterschlagen. Diese Zulage wurde nun von der Betriebsleitung 
als Druckmittel zur Pensumleistung benutzt. War das Pensum nicht erreicht, 
wurde sie entzogen. Was das für die ausgemergelten, entkräfteten Häft 
linge bedeutete, kann sich ein Uneingeweihter wohl kaum vorstellen. 
Und ebenso qualvoll waren die Verhältnisse in Weberei, Kürschnerei, 
Reparaturwerkstatt und den anderen Abteilungen, die alle der Herstellung 
von SS-Bekleidung dienten. 
In stummer Anklage beweisen die Umsatzzahlen, daß diese HäftLings- 
ausbeutung von „Erfolg" gekrönt war: 
1940/41 
1941/42 
1942 . 
1943 . 
1944 . 
575 000 RM 
800 000 RM 
1 214 000 RM 
8 214 000 RM 
15 500 000 RM 
Für 1945 rechnete man unter Berücksichtigung von VoUauftragen^n der 
SS-Bekleidung sogar mit einem Jahresumsatz von runc 
Die Betriebe trugen also nicht nur dazu bei, den Krieg' *^„Tinnef die 
sondern brachten ihren Unternehmern darüber '. naus . , Gebäuden 
in der Gewißheit des „Tausendjährigen Reiches» m 
und Grundstücken angelegt wurden. Das Bündnis 
Kapitalismus zeigte sein wahres Gesicht.
	        
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