Mjjö war um dir Zeit, wo dir Erde am allerschönsten ist und cs dcm Menschen
V am schwersten fallt zu sterben, denn der Flieder blühte schon und die Rosen
hatten dicke Knospen: da zogen zwei Wandrer die Himmelsstraße entlang, ein
Armer und ein Reicher. Die hatten auf Erden dicht beieinander in derselben
Straße gewohnt, der Reiche in einem großen, prächtigen Hause und der Arme
in einer kleinen Hütte. Weit aber der Tod keinen Unterschied macht, so Wal
es geschehen, daß sic beide zu derselben Stunde starben.
Da waren sie nun auf der HinmiclSstraße auch »vieder zusammengekommen
lind gingen schweigend nebeneinander her.
Doch der Weg wurde steiler und steiler, und dem Reichen begann cs bald
blutsauer zu werden, denn er war dick und kurzatmig und in seinem Leben noch
nie so weit gegangen. Da trug cS sich zu, daß der Arme bald einen guten
I Vorsprung gewann und zuerst an der Himmclspforte ankam. Weil er sich aber
jT nicht getraute anzuklopfen, setzte er sich still vor der Pforte nieder und dachte:
„Du willst auf den reichen Mann warten; vielleicht klopft der an."
Nach langer Zeit langte der Reiche auch an, und als er die Pforte vcr-
,> schloffen fand und nicht gleich jemand aufmachte, fing er laut an zu rütteln
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