Full text: Ein Leben voller Abenteuer (1)

Leutnants-Leben 
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junge Mann, ein Goldschmied aus Mainz, sah dem Kaiser ganz auf 
fallend ähnlich. Sein Reich hatte aber ein tragikomisches Ende. Seine 
Kaiserliche Pseudomajeslät trank etwas zu viel Wein, und als er bei 
anbrechendem Tage nach Hause zurückkehrte, verlangte er, daß eine 
preußische Schildwache präsentieren solle. Es war das aber ein 
Pommer, der keinen Spaß verstand. Er arretierte den angetrunkenen 
nachgemachten Napoleon und lieferte ihn auf die Hauptwache. Dort 
bat derselbe sehr, man möge ihn nicht auf die Polizei schicken, sondern 
„militärisch abstrafen", und ich glaube, der Offizier ließ ihn laufen. 
Während dieser drei Tage des Karnevals war es, als sei in die 
hübschen Mädchen von Mainz, von denen ich gleich mehr sagen werde, 
noch eine Extralegion Teufel gefahren. Unter dem Schutz der Masken 
freiheit erlaubten sich selbst verständige und sonst zurückhaltende 
allerlei Scherze und Tollheiten. Als ich mich an einem ersten der drei 
Karnevalstage eben zum Ball ankleidete und vor dem Spiegel stand, 
um mein Haar zurechtzumachen, worauf ich große Sorgfalt verwendete, 
klopfte es, und auf mein Herein traten ein paar wunderhübsche 
Schweizerinnen in mein Zimmer. Nich lange darauf kamen noch andere 
weibliche Masken, so daß sieben bis acht meiner Toilette beiwohnten, 
zum Erstaunen meines Burschen, Unter Kichern und Schelmereien 
aller Art durchstöberten sie mein ganzes Zimmer, bis ich endlich 
jeder etwas zu tun gab. Die eine mußte mich frisieren, einer anderen 
gab ich zu nähen, zwei mußten die Lichter halten usw. Als meine 
Neugier etwas zudringlich wurde, berief man sich auf das Masken- 
recht, und wenn ich auch hie und da einen hübschen Arm küßte, so 
mußte ich doch artig sein. Später habe ich durch Zufall einige dieser 
jungen Damen entdeckt; sie gehörten in die Gesellschaft, welche 
unsere Bälle besuchte, und man würde sehr geirrt haben, wenn man 
aus ihrer Tollheit im Karneval leichtsinnige Schlüsse gezogen hätte. 
Auf den Maskenbällen im Theater entspannen sich oft sehr 
interessante Intrigen, aber nicht weniger oft wurde man auf grau 
same Weise mystifiziert. 
Daß eine Besatzung von 10 000 bis 12 000 Mann, welche fast 
durchgängig aus jungen, unverheirateten Leuten besteht, die sich alle 
Jahre zum Teil erneuern, auf die Bevölkerung einer Stadt von etwa 
40 000 Einwohnern einen großen Einfluß hat, ist leicht begreiflich. 
Dieser Einfluß wirkt besonders auf die Moralität des weiblichen 
Geschlechts, welches bekanntermaßen eine entschiedene Vorliebe für 
zweierlei Tuch hat. Diese Vorliebe kann nicht überraschen; das 
gewandte und kecke Benehmen der Soldaten sticht vorteilhaft gegen 
die Unbeholfenheit der meisten jungen Leute aus den unteren Ständen 
ab, und überall, wo Militär hinkommt, schlägt es das Zivil bei den 
Mädchen aus dem Felde; es ist dies eine demütigende Tatsache, die 
keines Beweises bedarf. Selbst nicht einmal religiöse oder politische
	        
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