Full text: Ein Leben voller Abenteuer (1)

Viertes Kapitel 
Therese, oder erste Liebe. 
Ich war erst kurze Zeit in Mainz, als ich eines Nachmittags 
nach der neuen Anlage hinaus gehen wollte. Indem ich eilig durch 
das Neutor schritt, war ich genötigt, vor der Zugbrücke stehen zu 
bleiben, weil mir ein Wagen entgegenkam. Kaum stand ich, als ich 
eine liebliche Mädchenstimme wie erschrocken rufen hörte; „Mutter, 
sieh den schönen Offizier!" Ueberrascht sah ich auf und erblickte 
mir gegenüber an der anderen Seite des Tores eine ältliche, be 
scheiden gekleidete Bürgersfrau, welche ein reizendes Mädchen neben 
sich stehen hatte. Das schöne Kind hatte die Händchen vor der Brust 
gefaltet und sah mit seinen großen schwarzblauen Augen, die wie ein 
Paar Sterne leuchteten, gerade zu mir herüber, und die frischen 
Lippen, aus denen jene Worte hervorgingen, waren wie in staunender 
Verwunderung getrennt geblieben. Unterdessen war der Wagen vor 
übergefahren, und ich sah, daß dem schönen, wie versteinerten 
Mädchen das Taschentuch vor die Füße gefallen war. Ich sprang hinzu, 
hob cs auf und reichte es ihr, allein sie blieb in ihrer Haltung stehen, 
ohne die Hand auszustrecken, und über ihr zartes Gesicht flog ein 
brennendes Rot. Die Frau nahm mir das Tuch dankend ab, ich grüßte 
und ging eilig über die Brücke, denn ich war selbst in Verlegen 
heit geraten. 
Der leere Wagen, welcher mir auf der Brücke entgegengekommen, 
war der der Fürstin; sie und Fräulein von Wiesenthau waren also 
bereits in der Anlage, Wäre dies nicht gewesen, so würde ich sicher 
dem schönen Mädchen gefolgt sein; allein Fräulein von Wiesenthau 
hatte mir ein wenig den Kopf verdreht. Dessenungeachtet beschäftigten 
sich auf dem Wege durch den Garten meine Gedanken fortwährend 
mit dem reizenden Bürgerkinde, über dessen Miene ich freilich unwill 
kürlich lächeln mußte, dessen schmeichelhafte, mit so süßtönender 
Stimme gesagte Worte aber mir fortwährend im Ohre klangen. Abends 
im Bette ließ mir der Gedanke an mein kleines Abenteuer keine 
Ruhe, und meine geschäftige Phantasie bemühte sich, die Szene 
zurückzurufen und fortzusetzen. Ich machte mir Vorwürfe über meine 
Unbeholfenheit und vor allen Dingen darüber, daß ich den Faden nicht 
festgehalten hatte, an dem ich die interessante Bekanntschaft hätte
	        
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