Full text: Ein Leben voller Abenteuer (1)

Leutnants-Leben 
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Augen. Sic mochte zehn oder elf Jahre alt sein und war eine auf 
fallend liebliche Erscheinung, natürlich der Augapfel ihrer Eltern, 
da sie das einzige Kind war. Die Oberstin war aus einer gräflichen, 
nicht eben reichen Familie und mochte in ihrer Jugend hübsch ge 
wesen sein. Auf die ihr gebliebene Schönheit, einen sehr kleinen Fuß, 
war sie sehr eitel und die angenehmste Schmeichelei, die man ihr 
sagen konnte, war, wenn man sich wunderte, wie eine so große 
Dame auf so kleinen Füßen gehen könne. Auch klagte sie oft 
darüber, daß sie sich so in Acht nehmen müsse, um nicht zu fallen. 
Sie war, was man eine gescheite weltkluge Frau nennt, hatte aber 
auf dem sehr ökonomisch- gehaltenen Schlosse ihrer Eltern äußerst 
wenig gelernt und war ganz ausgezeichnet unwissend, dabei aber 
klug genug, das ziemlich zu verbergen. Mit wem sie es gut meinte, 
gegen den war sie angenehm, freundlich und wohlwollend; allein 
wer sich ihr Mißfallen zugezogen hatte, mußte sich vor ihr in Acht 
nehmen; sie konnte, wenn auch nicht grad in Worten, in Handlungen 
doch ganz außerordentlich grob sein. 
Der Oberst läßt sich nicht so kurz abfertigen und ich ziehe 
es vor, seinen Charakter sich allmählich entwickeln zu lassen, da 
er auf die ganze Richtung meines Lebens den entscheidendsten Ein 
fluß ausübte, und in diesen Blättern noch häufig die Rede von ihm 
sein wird. Er mochte damals eben die Sechzig passiert haben und 
war ein langer, magerer Mann, der ira ganzen einen angenehmen 
Eindruck machte. Sein Haar war noch nicht grau, sondern dunkel 
blond; er trug zu Zeiten einen preußischen, sehr unansehnlichen 
Zahnbürstenbart über der Oberlippe; seine Augenbrauen waren 
dünn, die grauen Augen ziemlich matt und der Ausdruck des Mundes 
gewöhnlich angenehm, besonders wenn er lächelte und die hübschen, 
weißen Zähne zeigte, die indessen in dem Rachen eines Walrosses 
gev/achsen waren. Die falschen Gebisse waren so vortrefflich ge 
fertigt, daß ich ihre Existenz erst nach mehrjähriger Bekanntschaft 
gewahrte, denn er fand es natürlich nicht für nötig, mich aufzu 
klären, wenn ich mich gelegentlich über seine schönen Zähne 
wunderte. Trotz seines militärischen Titels hatte er nicht viel vom 
Krieg gesehn; im Revolutionskrieg war er in Maestricht belagert und 
später nicht wieder im Felde gewesen. Als Hauptmann stand er 
bei der westfälischen Garde in Kassel, pachtete dann eine große 
Domäne, wozu ihm reiche Freunde mit Geld behilflich waren. Der 
Oberst war nun ein reicher Mann; er besaß drei schöne Güter und 
das Patronat nebst dazu gehörigen Gefällen über andere, die er 
besessen, aber mit genannter Reservation wieder verkauft hatte. 
Er hatte von dem herzoglich braunschweigischen Hause viel Gutes 
empfangen und hing mit großer Treue an demselben. Die jungen 
Prinzen hatten auch ihrerseits Ursache, ihm dankbar zu sein. Auf 
das Festament des sehr reichen Herzogs August hatte er einigen
	        
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