Full text: Ein Leben voller Abenteuer (1)

Leutnants-Leben 
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wie im schönen Süden; allein eben diese große Freiheit erhielt sie 
unbefangen und naiv, und sie waren, obwohl bereits zur Blüte heran 
gereift, unschuldiger und unerfahrener, als es viele blondhaarige, blau 
äugige deutsche Pensionärinnen von sich rühmen können. Der ältesten 
Tochter hatten sich trotz ihrer Jugend schon gute Partien darge 
boten, doch hatte sie bisher alle Freier abgewiesen. Endlich hatten 
die Eltern eine Partie zwischen ihr und einem Reisenden des Hauses 
arrangiert, einem wohlhabenden, ganz angenehmen jungen Manne, 
und Helene hatte bis dahin weder Ja noch Nein gesagt, so daß Groß 
mutter und Vater die Sache beinahe als abgemacht betrachteten. 
Der junge Mann selbst hatte mit der Hauptperson noch nicht ge 
sprochen; da er aber ein einziges Muttersöhnchen war, so ließ er 
sich nicht träumen, daß er einen Korb erhalten könne. Als ich in 
das Haus kam, wurde er zurückerwartet, und ich hörte durch eine 
dritte Person, daß dann die Verlobung gefeiert werden solle. Acht 
Tage eines beständigen Zusammenlebens in einem Hause, wo es mit 
italienischer Umgangsfreiheit zugeht, machen zwei junge Leute mehr 
bekannt als eine Bekanntschaft von einem Jahr unter gewöhnlichen 
Verhältnissen. Helene und ich suchten uns wie Eisen und Magnet, 
denn es zog uns eine unwiderstehliche Gewalt zu einander. Eines 
Nachmittags fand ich Helene allein in einem Zimmer; sie sah bewegt 
und sogar blaß aus. Als sie mich sah, schwankte sie, so daß sie sich 
an einem Möbel halten mußte. Bestürzt fragte ich, was ihr fehle 
und erhielt mit unsicherer Stimme die Antwort; „Herr Müller ist 
eben angekcmmeni" Es war dies der Reisende des Hauses, der ihr 
bestimmte Bräutigam. Als er vom Wagen stieg, war er, wie Ich 
später erfuhr, ihr im Hausgange begegnet, und als er ihr die Hand 
reichen wollte, gab sie ihm die linke. „Bekomme ich nicht die rechte 
Hand?“ hatte er gefragt, worauf sie ihm auch die linke entzogen 
hatte und weggelaufen war. Unter diesen Umständen war denn eine 
Erklärung unvermeidlich. Ich fragte sie, ob sie mich lieb habe? und 
so weiter, und erhielt die befriedigendsten Antworten. Wir gingen so 
gleich zur Mutter und sagten ihr, an welcher Krankheit wir litten; 
natürlich hatte dieselbe dies schon lange gemerkt und war gar nicht 
überrascht; sie hatte gegen den Schwiegersohn nichts einzuwenden 
und sprach unter den gewöhnlichen Tränen: „Behaltet Euch lieb und 
gebt Euch einen Kuß!“ Schluchzend sagte Helene: „Das haben wir 
schon getan!" und mitten in den Tränen brachen wir in ein lautes 
Lachen aus. 
Herr Müller war unterdessen ebenso unglücklich wie ich glück 
lich, Die Großmama, deren Liebling er war, kam bestürzt aus seinem 
Zimmer und erklärte, er liege vcrzweiflungsvoll auf seinem Bette 
und wolle sich mit aller Gewalt totschießen. Ich beruhigte sie durch 
die Versicherung, daß ich mich schon mehrmals totgeschossen hätte 
und es durchaus nicht gefährlich sei. Sie schlug die Hände zusammen
	        
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