Erstes Kapitel
Die goldene Freiheit. — Leipzig. — Höfliche Leute. — Wer bin ich? —
Seltsames Abenteuer. — Ueberraschung. — Erwartung, — Festgefressen.
— Der Wirt. — Abreise. — Knapp! — Demütiger Einzug in Hohenberg.
— Wolke. — Ein Brief von Sallet. — Besuch im Stift.
0 goldene, goldene Freiheit! rief ich halb seufzend, halb
lachend, als ich meine geringe Barschaft überzählte. Damals konnte
ich noch lachen beim Anblick dieses traurigsten aller Gegenstände,
eines leeren Geldbeutelsl Damals hatte ick noch die Tasche voll
goldener Hoffnungen, und die mir lächelnd zunickende Zukunft schlug
der grämlichen Gegenwart ein keckes Schnippchen. Ueberdies war
Geldnot mein Normalzustand als Leutnant gewesen, und Gewohnheit
hatte dieser Plage den Stachel abgestumpft. Selbst geldlose Freiheit
erschien mir ein berauschendes Glück uncl schaudernd gedachte ich
der ledernen Gamaschenknechtschaft, der ich soeben entflohen war.
Hatte ich am Abend zu viel gegessen, dann erschien mir stets im
Traum als Alp mein Hauptmann, sein „Ruuu—big! — eins, eins, eins!“
winselnd oder sein „Parademarsch!“ bellend, so daß ich entsetzt in
die Höhe fuhr und, kalten Schweiß auf 3er Stirne, aus tiefstem
Herzen ein Gott sei Dank! stöhnte. Kurz, ich genoß vorläufig den
Sonnenschein meiner neuen Freiheit und von ihm geblendet, gewahrte
ich noch nicht die im Schatten schleichenden unheimlichen Gestalten,
mit denen ich noch so vertraute Bekanntschaft machen sollte.
Da der Oberst geschrieben, daß er über Leipzig nach Teplitz
reisen und mich dorthin mitnehmen werde, so dachte ich mir die
kostspielige und langweilige Fahrt nach Hohenberg zu ersparen, und
beschloß, ihn in Leipzig zu erwarten. Ich stieg also in dem der
damaligen Post gegenüberliegenden Gasthofe zur Stadt Berlin ab und
traf sogleich Maßregeln, daß der Oberst bei seiner Ankunft in Leipzig
von meiner Anwesenheit unterrichtet würde. Das war leicht zu
arrangieren, denn in jener unschuldigen Zeit mußte man noch seine
Pässe am Tore abgeben.
Ich war zum erstenmal in der Buchhändlerstadt und da ich bis
zum Mittagessen noch Zeit hatte, so beschloß ich einen Spazier
gang, sie zu besehen. Merkwürdig höfliche Leute, diese Sachsen,
dachte ich, als mich in den Straßen und auf der Promenade viele