Drittes Kapitel
Unser Hauswesen. — Stall und Hof. — Erste Spielkameraden. — Des Vaters
Erziehungsgrundsätze. — Jähzorn. — Porträt des Vaters. — Die Schule. —
Konrektor Prange und seine Ochsenziemer. — Herr Wedekind, — Das
Faktotum. — Seltsame häusliche Unruhen,
Der Mangel einer Herrin machte sich in unserem Hauswesen
sehr fühlbar und es ging in demselben ziemlich toll und bunt zu.
Es ist nötig, dieses Hauswesen etwas näher zu beleuchten; denn
die Eindrücke, welche ich in jener Zeit empfing, hatten ohne allen
Zweifel Einfluß auf meine Entwickelung.
Luxus in Möbeln und Einrichtung der Häuser war am Anfänge
dieses Jahrhunderts noch nicht so allgemein wie heutzutage, und
am wenigsten in Provinzialstädtchen gleich Gumbinnen zu finden,
Ueberhaupt war Litauen noch ganz besonders patriarchalisch und
einfach, Papiertapeten waren dort noch unbekannt und alle unsere
Zimmer waren „gemalt", was man aber ehrlicher und verständlicher
angestrichen nennt. Die Fußböden waren gewöhnliche Tannendielen,
die täglich mit frischem, weißem Sand und an Festtagen mit klein-
gehacktenTannenzweigen und grünenKalmusstücken bestreut wurden.
Das Stalldepartement konnte jedoch auf größere Eleganz An
spruch machen. Unsere Wagen kamen von Wien oder Berlin und
unsere Pferde waren die besten in der Umgegend, was in einem
pferdezüchtenden Lande wie Litauen schon etwas heißen will. Wir
hatten stets zwei Postzüge, der eine schwarz, der andere braun und
zu jedem ein fünftes Reservepferd. Reitpferde wurden nur zum Staat
gehalten, denn mein Vater hatte in seinem Leben genug geritten; ich
habe ihn niemals zu Pferde gesehen. Sein altes Kriegspferd, ein
Schimmel, erhielt das Gnadenbrot, weil es bei Jena so brav ge
laufen, und auf dem Rücken dieses Veteranen erhielt ich meinen
ersten Reitunterricht, noch ehe ich ordentlich gehen konnte.
Der große, gelbe Kettenhund Tiras, welcher den Pferdestall
bewachte, war mein intimer Freund, Wir achteten uns gegenseitig,
und ich besuchte ihn nicht nur in seiner Hütte, sondern setzte mich
auch auf seinen Rücken. Dagegen war Kettenhund Nummer zwei.