Full text: Ein Leben voller Abenteuer (02)

Amerika 
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einfach, aber höchst zweckmäßig und bequem eingerichtet. Meinen 
besonderen Beifall hatte der Waschtisch, Das Waschbecken hatte 
unten eine Oeffnung, welche durch einen Einsatz zu verschließen war; 
am Rand befanden sich einige kleinere Oeffnungen, durch welche 
das Wasser abfließen konnte und Ueberschwemmung verhindert 
wurde, wenn ein Gast vergessen sollte, die Röhren an die Rückwand 
zu drücken, aus denen, wenn man sie über das Waschbecken zog, 
warmes und kaltes Wasser reichlich herausfloß, 
Mir war, als habe ich Blei in den Gliedern, und ich mußte mich 
niederlegen. Im Schlaf kam es mir vor, als höre ich Kanonenschüsse; 
es waren aber nur heftige Donnerschläge eines während meines 
Schlafes losbrechenden Gewitters, welches auch den seltsamen Zustand 
erklärte, in dem ich mich befand. Nach dem Essen wollten die mit 
mir gekommenen Herren sich amüsieren und ich hatte denselben 
Wunsch, Ich ging also zu dem Geschäftsführer hinter dem Comptoir 
tisch und fragte, wie man das in New York anfange. Höchlich erstaunt, 
schlug er vor, ins Theater zu gehen. Wir lachten. Wenn man von 
London und Paris kommt, hat man eben kein besonderes Verlangen 
nach einem amerikanischen Theater, Wir wollten etwas vom Volks 
leben der Amerikaner sehen. ,,Nun, dann gehen Sie nur auf den 
Broadway!“ wurde uns etwas gereizt geantwortet. 
Es war etwa acht Uhr abends im Oktober, Wir gingen auf den 
Broadway, welcher die Hauptstraße New Yorks ist, von deren 
Wundern mir die Amerikaner in Europa haarsträubend Wunderbares 
erzählt hatten. Wir waren nämlich Ich —• ich sehe nicht ein, warum 
Könige und königliche Prinzen sich das Vorrecht aiimaßen, „Ich“ mit 
einem großen Buchstaben zu schreiben; jeder Engländer schreibt nicht 
i sondern I, was „ich“ heißt, und ich will's auch tun; •— also Ich und 
ein portugiesischer und ein spanischer Legationssekretär, wovon der 
eine, der mit einem nur in einem langen Sommertag auszusprechenden 
Namen behaftet war, wie ein Neger-Albino aussah, machten uns er 
wartungsvoll auf den Weg. Wie erstaunten wir aber, als wir den 
berühmten Broadway, schon so früh, dunkler und nicht belebter 
fanden als etwa Harley oder Wimpole Street in London um Mitter 
nacht! Wir lachten herzlich über die Aufschneiderei der Amerikaner, 
und Herr Steward, dem wir begegneten, lachte mit uns und sagte; 
„Ja, Sie meinen, daß Sie in London sind. Das ist hier freilich anders; 
allein ich will Sie an einen Ort führen, wo Sie wenigstens etwas 
sehen, das Ihnen neu sein wird.“ Wir folgten ihm willig in einen 
Keller. Der ziemlich große Raum sah nichts weniger als reinlich aus. 
Es standen da verschiedene Tische, an denen eine nicht sehr reinliche 
Gesellschaft saß, und im Hintergrund war eine schäbige, nicht sehr 
reinliche Bühne, auf welcher nicht sehr reinliche Sänger und Sänge 
rinnen mit sehr unreiner Stimme unreinliche Lieder sangen. Zwischen 
•den Tischen bewegten sich als Kellnerinnen ein halbes Dutzend sehr 
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