Full text: Ein Leben voller Abenteuer (02)

Amerika 
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diesem Gang gelangte man durch eine Türe rechter Hand in die beiden 
Lesezimmer. Nur in einem derselben durfte geraucht werden. Ueberall 
standen bequeme Sofas und Sessel, und die Plätze vor den bis zur 
Erde reichenden Fenstern waren besonders gesucht. Vor denselben, 
quer durch das ganze Zimmer, lief, etwa zwei Fuß über dem Fuß 
boden, eine eiserne Stange. Die Leute, welche an diesen Fenstern 
vorübergingen und in das Lesezimmer sahen, konnten sich an so und 
so viel Paar Schuhsohlen satt sehen, welche auf der Eisenstange 
ruhten, und an den dazu gehörigen Hosensitzen, denn der übrige 
Teil der Zeitungsleser war durch die ungeheuren Zeitungen ver 
deckt. Die Amerikaner halten es für äußerst bequem, so zu sitzen, 
daß ihre Füße hoch liegen; sie sagen, daß man in dieser Stellung 
am besten ausruhe. Suchte ich in einem Saal des Pariser Hotel du 
Louvre amerikanische Freunde, so fand ich sie sehr schnell, denn 
wo ein Paar Stiefel gen Himmel ragten, saß ein Aimerikaner. 
Eine Türe auf der linken Seite führte in die „Bar“ und eine 
andere in den Speisesaal. A.m Eingang des letzteren stand ein weißer 
Engel, der die Billette für die Mahlzeiten abnahm. Diese Maßregel 
war notwendig, denn da die aufwartenden Kellner nicht alle Gäste 
des Hauses kennen konnten, so mochten sich gar viele umsonst ein 
Mittagessen verschaffen. Gegen einzelne Umsonstesser würde man 
nichts eingewendet haben, und war man im Hause bekannt und wollte 
einen Bekannten sprechen, der gerade bei der Mahlzeit war, so gab 
der Kommis im Comptoir ohne Umstände ein Eintrittsbillett. 
Das Leben auf dem Vorplatz zu beobachten, war sehr interessant. 
Es war dies zu jener bewegten Zeit die vornehmste Neuigkeitsbörse 
von Washington und es wurden hier mehr Zeitungsenten ausgebrütet 
als irgendwo anders. Hier versammelten sich nicht nur die männlichen 
Gäste des Hauses, sondern alle fashionablen Bummler der Bundes 
hauptstadt. Standesunterschiede spielten da keine Rolle; es bildete sich 
kein Ehrfurchtskreis um irgend einen politischen oder militärischen 
Stern erster Größe; hier war man demokratischer als sonst in der 
Republik; die Hühneraugen des Ministers, Senators oder Generals 
waren nicht sicherer als die des gemeinen Soldaten oder Handwerkers; 
kein Portier hielt den Eintretenden auf, kein Kellner fragte nach 
seinem Geschäft; ein Hotel ist ein öffentliches Gebäude, fast noch 
mehr wie das Kapitol. 
Der Hauptzudrang zu dieser Halle fand abends statt, besonders 
wenn irgend welche wichtige Neuigkeit erwartet wurde; es war dann 
so voll, daß man sich nur mit Mühe durchdrängen konnte. Damen 
sah man in dieser Halle nie, doch war dicht an einem Eingang in der 
Nebenstraße ein kleiner Salon, in welchem Damen warteten, die 
irgend einen Herrn sprechen wollten; der eigentliche Dameneingang 
war jedoch weit davon entfernt; jedes Hotel hat einen solchen ladies 
entrance, und ein weißer Aufwärter bewacht ihn. Im ersten Stock
	        
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