Full text: Der kleine Lord

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Sache noch kommen wird, das weiß kein Mensch; Gott steh' 
uns bei — keinen Blutstropfen hätt' ich von mir gegeben, 
wenn Sie mich mit Nadeln gestochen hätten, so kreideweiß bin 
ich vor Schreck gewesen, wie die Jane mir's erzählt hat." 
Auch im Schloß selbst trat keine Ruhe ein. In der 
Bibliothek saßen der Graf und Mr. Havisham in endlosen, 
aufgeregten Beratungen bei einander; im Dienerschaftssaat 
waren Mr. Thomas und der Haushofmeister zu allen Tages 
zeiten in ernstem Gespräche zu treffen, dem die andern an 
dächtig lauschten, und im Stalle waltete Wilkins in sehr ge 
drückter Stinunung seines Amtes, bürstete den braunen Pony 
noch viel sorgfältiger als je und versicherte dem Kutscher 
immer wieder, daß er nie einen jungen Herrn reiten gelehrt 
habe, dem die edle Kunst so „natürlich" gewesen sei, und daß 
dies ausnahmsweise einer sei, bei dem sich's lohne, hinter 
drein zu reiten. 
Inmitten all der Bekümmernis und Not blieb nur ein 
Herz ruhig und unberührt von Sorge, und das war das kleine 
Herz Lord Fauntleroys, der nun bald kein Lord mehr sein 
sollte. Als man ihm die Lage der Dinge erstmals auseinander 
gesetzt hatte, war er sehr bestürzt und bekümmert gewesen, 
es zeigte sich jedoch bald, daß diesem Gefühle kein gekränkter 
Ehrgeiz 511 Grunde lag. 
Auf eineni Stuhle sitzend, die Händchen um die Kniee 
geschlungen, wie es seine Gewohnheit war, hörte er dem 
Grafen zu, als dieser ihm von dem unliebsamen Ereignis 
mitteilte, soviel er für nötig hielt, wobei Cedrik allmählich 
immer ernsthafter dreinschaute. 
„Mir — mir ist ganz wunderlich zu Mut," sagte er, 
als der Graf zu Ende war. 
Schweigend blickte der alte Mann auf das Kind. Ihm 
war auch wunderlich zu Mut, so wunderlich, wie nie zuvor 
im Leben, um so mehr, als er nun das sonst so sonnige, glück-, 
liche Kindergcsicht ängstlich und erschrocken vor sich sah. 
„Werden sie Herzlieb ihr Haus nehmen und — und 
ihren Wagen?" fragte Cedrik mit etwas unsichrem Stimmchen. 
„Nein!" rief der Graf sehr bestimmt und merkwürdig 
laut. „Ihr können sie nichts nehmen." 
„Ach!" sagte Cedrik sichtlich erleichtert. „Das können 
sie nicht?" 
Dann sah er den Großvater fest an, und es lag ein 
tiefer Schatten in den braunen Augen.
	        
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