Full text: Der kleine Lord

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Bildfläche zu erscheinen, hielt er seinen Einzug als Welt 
bürger mit einer Fülle weichen, seidigen, golden schimmern 
den Haares, das sich nach sechs Monaten in leichten Locken 
um sein Köpfchen krauste; er hatte große braune Augen, 
lange Wimpern und ein herziges kleines Gesicht, ferner so 
kräftige Glieder, daß er mit neun Monaten plötzlich auf 
seinen kerzengeraden strammen Beinchen zu wandeln anfing, 
und dabei war er ein so gesittetes Baby, daß es eine Lust 
war, seine Bekanntschaft zu machen. Er schien davon aus 
zugehen, daß jeder Mensch sein Freund sei, und sprach 
jemand mit ihm, wenn er in seinem Kiuderivagen auf der 
Straße war, so pflegte er den Unbekannten erst ganz ernst 
haft aus seinen braunen Augen anzuschauen, worauf dann 
sofort ein sonniges Lächeln folgte. Daher kam es denn auch, 
daß in der ganzen Nachbarschaft keine Menschenseele war — 
nicht einmal der Spezereihändler an der Ecke, und der war 
anerkannt der gröbste Mensch unter Gottes Sonne — die 
nicht eine Freude daran gehabt hätte, ihn zu sehen und mit 
ihm zu sprechen, und mit jedem Monat, den er älter wurde, 
ward er hübscher und lebendiger. 
Als er groß genug war, mit seiner Kinderfrau aus 
zugehen in einem kurzen, weißen Röckchen, mit einem großen, 
weißen Hut auf dem lockigen Haar, erregte er allgemeines 
Aufsehen, und die Wärterin hatte der Mama die längsten 
Geschichten zu erzählen von Damen, die ihre Wagen hatten 
anhalten lassen und ausgestiegen waren, um mit ihm zu 
sprechen, und die ganz entzückt gewesen waren, als er in seiner 
harmlosen, unbefangenen Art mit ihnen geplaudert hatte, 
als ob er sie von jeher gekannt. Diese seltsam unbefangene 
Art und Weise, mit jedermann Freundschaft zu schließen, gab 
ihm einen ganz eigenartigen Reiz. Er war eine offne, rück 
haltslos vertrauende Natur, und sein warmes kleines Herz 
wollte, daß es allen so wohl zu Mute sein solle, wie ihm 
selbst, das war's, was ihn die Empfindungen derer, die um 
ihn waren, so merkwürdig schnell verstehen ließ. Vielleicht 
hatte sich dieser Zug auch mehr entwickelt, weil er immer mit 
Vater und Mutter lebte, die liebevoll, gütig und voll echter 
Herzensbildung waren; nie hörte er zu Hause ein unhöfliches 
oder rauhes Wort; von jeher wurde er mit Liebe und Zärt 
lichkeit behandelt und umgeben, und so strömte sein Kinder 
herz auch von Liebe und Wärme für andre über. Immer 
hatte er sein Mütterchen mit süßen Schmeicheluameu nennen
	        
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