Full text: Der kleine Lord

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der Ahnensaal jedoch war es, der ihn um den Nest seiner 
Gemütsruhe brachte. 
„Na, scheint so was wie ein Museum, hm?" fragte 
er, als Fanntleroy ihn in den großen, herrlichen Raum 
führte. 
„Nein, ich — ich glaube nicht," sagte Cedrik etwas un 
sicher. „Ich glaube nicht, daß es ein Museum ist. Groß 
vater sagt, das alles seien Verwandte, Onkel und Tanten 
von ihm." 
„Die alle," stieß Mr. Hobbs erschüttert hervor. „Die 
alle, Onkel und Tanten, der Großonkel muß aber eine Familie 
gehabt haben! Hat er sie alle aufgezogen?" 
Er sank ergriffen von der Größe solchen Familienglücks 
in einen Stuhl und sah ganz aufgeregt um sich, bis es Lord 
Fanntleroy nicht ohne Schwierigkeit gelang, ihm auseinander 
zu setzen, daß es sich bei den sämtliche Wände vollständig be 
deckenden Porträts nicht um die Nachkommenschaft eines ein 
zigen Großonkels handle. 
Zu guter Letzt fand er es aber doch geraten, Mrs. Mellon 
zu Hilfe zu rufen, welche die Geschichte jedes einzelnen Bildes 
und die Namen der Maler kannte, und die noch überdies 
höchst romantische und merkwürdige Dinge aus dem Leben 
der hier verewigten Lords und Ladies zu erzählen wußte. 
Nachoem Mr. Hobbs den Stammbaum des Hauses Dorin- 
court einigermaßen begriffen und einige derartige Erzählungen 
gehört hatte, fing er an, unter den Schätzen Schloß Dorin- 
courts die Ahnengalerie fast am höchsten zu stellen, und manch 
liebes Mal sah man ihn von den „Dorincourts Arms", wo er 
Quartier genommen hatte, herüberwandeln, um eine Stunde 
im Ahnensaale zu verbringen und unter stetem Koyfschütteln 
die gemalten Damen und Herren anzustarren, die ihn ihrer 
seits ebenso verwundert wieder anstarrten. 
„Und lauter Grafen oder beinahe Grafen," sagte er dann 
vor sich hin. „Und er wird auch so einer!" 
Im Innersten waren ihm die ,,'ristokraten" und ihre Art 
zu leben keineswegs so sehr zuwider, als er sich gedacht hatte, 
und es ist sehr zweifelhaft, ob seine republikanischen Grundsätze 
durch die nähere Bekanntschaft mit Schlössern und Ahnen und 
all den sonstigen Annehmlichkeiten nicht in ein bedauerliches 
Schwanken gerieten. Eines Tages wenigstens vernahm man 
eine Aeußerung aus seinem Munde, die zu solchem Verdacht 
Anlaß zu geben gairz geeignet war.
	        
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