Full text: Der kleine Lord

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„Wenn du auch dort wärst, dann wohl," versetzte der 
betrübte kleine Lord mit einem tiefen Seufzer. 
Es war ja ganz natürlich, daß ihm eine Einrichtung, 
die ihn von „Herzlieb" trennte, als etwas sehr Widersinniges 
und Unbegreifliches erschien. Mrs. Errol hielt es zudem für 
richtig, ihn über die Gründe dieser Trennung nicht aufzuklären. 
„Verstehen könnte er • es doch nicht," sagte sie zu 
Mr. Havisham, „es würde ihn also nur alterieren und be 
ängstigen, und ich bin überzeugt, daß er sich weit eher an 
seinen Großvater anschließt, wenn er nicht weiß, daß dieser 
einen Widerwillen gegen mich hat. Haß und Bitterkeit sind 
ihm ganz fremd, und ich glaube, der Gedanke, daß je- 
mand mich haßt, würde ihn unglücklich machen! Sein Herz 
ist voll Liebe! Es ist viel besser, wenn er das alles erst 
später erfährt — viel besser im Interesse des Grafen nament 
lich, denn dies Bewußtsein würde eine Scheidewand zwischen 
ihm und dem Großvater bilden, wenn Ceddie auch noch ein 
Kind ist." 
Cedrik erfuhr also nur, daß diese Trennung aus Griinden, 
die er noch nicht verstehen könne, beschlossen sei, und daß er 
später einmal alles erfahren und begreifen werde. Das machte 
ihn wohl nachdenklich, allein schließlich war es ihm ja weniger 
um die Gründe, als um die Sache zu thun, und nachdem 
ihm sein Mütterchen wieder und wieder die Zukunft im 
rosigsten Lichte ausgemalt hatte, fingen seine Bedenken an 
schwächer zu werden, obgleich Mr. Havisham ihn noch mehr 
als einmal in einer seiner wunderlich altväterischen Stellungen 
dasitzen und aufs Meer Hinausstarren sah, wobei sich mancher 
Seufzer aus seiner Brust stahl, der viel zu ernsthaft klang 
für ein Kind. 
„Es gefällt mir gar nicht," sagte er in einem seiner ehr 
baren Gespräche mit dem Advokaten. „Sie glauben nicht, 
lote wenig mir die Sache gefällt, aber es gibt ja viel Kummer 
auf der Welt, den man eben ertragen muß. Das sagt Mary 
immer, und auch Mr. Hobbs hab' ich das sagen hören. Und 
Herzlieb will, daß ich gern zum Großpapa gehen soll, weil 
all' seine Kinder tot sind und das sehr traurig ist. Natürlich 
thut einem ein Mann leid, der all' seine Kinder verloren 
hat — und eins war so plötzlich tot." 
Wer Seine kleine Herrlichkeit kennen lernte, fand die alt 
kluge Weisheitsmiene, die er gelegentlich in der Unterhaltung 
aufsetzte, bezaubernd; wenn man dabei in sein unschuldiges
	        
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