Full text: Der kleine Lord

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zu haben, ihm Cedrik zu verkaufen, und ich lasse ihn doch 
nur von mir, weil ich nicht an mich denke, sondern an sein 
Bestes, und weil sein Vater es wünschen würde." 
„Seltsam, sehr seltsam," sagte Mr. Havisham, sein Kinn 
reibend. „Der Graf wird sich ärgern, wird es ganz und gar 
nicht verstehen." 
„Ich glaube doch, wenn er sich's überlegt. Nötig habe 
ich das Geld nicht, und Luxus annehmen von seiten eines 
Mannes, der mich so sehr haßt, daß er mir meinen Sohn 
nimmt, könnte ich nicht." 
Kurz darauf wurde die Mahlzeit aufgetragen, an der alle 
drei teilnahmen und bei der sich auch die Katze einfand, die 
unter vergnüglichem Schnurren den Stuhl neben Ceddie für 
sich in Anspruch nahm. 
Im Verlaufe des Abends begab sich Mr. Havisham noch 
nach dem Schlosse, wo er sofort von dem Hausherrn em 
pfangen wurde. Er fand ihn in einem bequemen Fauteuil 
am Kamin, das gichtkranke Bein auf einer Fußbank. Ein 
scharfer, fragender Blick flog unter den buschigen Augenbrauen 
hervor, und Mr. Havisham erkannte wohl, daß er trotz aller 
zur Schau getragenen Gleichgültigkeit in großer Unruhe und 
gespannter Erwartung war. 
„Da sind Sie ja, Havisham! Gut angekommen? Was 
gi£>t’§ Neues?" 
„Lord Fauntleroy und seine Mutter sind in Court Lodge 
angelangt. Beiden ist die Reise gut bekommen und ihr Be 
finden ist vortrefflich." 
„Freut mich, zu hören," sagte der Graf mit einer etwas 
ungeduldigen Handbewegung. „Machen Sie sich's bequem und 
nehmen Sie ein Glas Wein. Was sonst?" 
„Der junge Lord bleibt heute nacht bei seiner Mutter. 
Morgen werde ich ihn ins Schloß bringen." 
Der Arm des Grafen hatte auf der Stuhllehne geruht, 
nun hielt er sich plötzlich die Hand vor die Augen. 
„Nun so reden Sie doch weiter. Briefliche Mitteilungen 
hatte ich mir ja verbeten, und so weiß ich noch von gar nichts. 
Was für eine Sorte ist der Bursche? Von der Mutter will 
ich nichts hören, nur von dem Jungen." 
Mr. Havisham kostete den alten Portwein, den er sich 
eingegossen hatte, und hielt das Glas in der Hand. 
„Es ist schwierig, über den Charakter eines Kindes von 
sieben Jahren ein Urteil abzugeben," begann er vorsichtig.
	        
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