Full text: Der kleine Lord

Epheu umrankt und auf den breiten Terrassen, die zum Ein 
gang hinaufführten, waren reiche, farbenprächtige Blumenbeete. 
„Das ist daS Allerschönste, was ich je gesehen habe," 
rief Ceddie mit leuchtenden Augen. „Wie ein Königsschloß, 
so war gerade eins in meinem Märchenbuche!" 
Er sah, wie die schweren Thürflügel aufgerissen wurden, 
und sah die Dienerschaft in zwei Reihen antreten, was ihn 
sehr in Erstaunen setzte, da es ihm nicht in den Sinn kam, 
daß dies zu Ehren des kleinen Jungen geschah, dem einst all' 
diese Pracht und Herrlichkeit zu eigen sein würde — das 
Schloß aus dem Märchenbuche, die großen alten Bäume, der 
herrliche Park, die Gründe voll Farnkraut und Glocken 
blumen, wo die Hasen und Kaninchen umhersprangen und die 
großäugigen gefleckten Hirsche und Rehe, die im tiefen Grase 
lagerten. Kaum ein paar Wochen war es her, daß er in 
Mr. Hobbs' Laden gesessen hatte und seine Beinchen von dem 
hohen Schreibstuhle herunterbaumelten, und er konnte unmöglich 
all' diese Pracht und Feierlichkeit auf sein kleines Ich beziehen. 
An der Spitze der Dienerschaft stand eine ältliche Frau in 
glattem, schwerem schwarzen Seidenkleide, mit einer Haube 
auf dem grauen Haare. Als er die Halle betrat, stand sie 
ihm zunächst und Cedrik sah ihr an, daß sie mit ihm sprechen 
wolle. Mr. Havisham, der ihn an der Hand führte, stand 
einen Augenblick still. 
„Hier bringe ich Lord Fauntlerop, Mrs. Mellon," sagte 
er. „Lord Fauntleroy, dies ist Mrs. Mellon, die Haushälterin." 
Cedrik gab ihr mit einem freudigen Aufleuchten die Hand. 
„Haben Sie uns die Katze geschickt?" fragte er. „Ich 
danke Ihnen tausendmal dafür!" 
Das hübsche Gesicht der alten Frau glänzte gerade so 
freudig wie das der Portiersfrau. 
„Ich würde Seine Herrlichkeit an jedem Orte erkannt 
haben," sagte sie zu Mr. Havisham, „er ist ja ganz und gar 
sein Vater. Das ist ein großer Tag heute, Sir." 
Cedrik sah sie neugierig an und hätte für sein Leben 
gern gewußt, weshalb gerade heute ein großer Tag sei. Noch 
befremdlicher war ihm, daß sie Thränen in den Augen hatte 
und doch offenbar nicht traurig war, denn sie lächelte ihn 
freundlich an. 
„Die Katze hat zwei wunderhübsche Junge hier gelassen," 
sagte sie, „man wird sie sofort auf Eurer Herrlichkeit Zimnier 
bringen."
	        
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