Full text: Der kleine Lord

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sieben — und ich kann auch ihr Bild ansehen, sie hat mir's 
gegeben." 
Er fuhr mit der Hand in die Tasche und zog ein kleines 
Etui von dunkelblauem Samt hervor. 
„Hier ist es. Sieh, wenn man daran drückt, so springt 
es auf und drin ist sie!" 
Er lehnte sich dabei so vertrauensvoll an des Grafen 
Arm, als ob dies von jeher sein Platz gewesen wäre. 
„Das ist sie," sagte er und sah lächelnd zu ihm auf. 
Der Graf zog finster die Augenbrauen zusammen. Er 
wollte das Bild mcht sehen und warf trotzdem einen Blick 
darauf. Es erschreckte ihn förmlich, ein so junges, hübsches 
Gesicht vor sich zu haben, mit den nämlichen braunen Augen, 
wie das Kind an seiner Seite. 
„Vermutlich glaubst du, sie sehr lieb zu haben?" 
„Ja," erwiderte Cedrik sanft und einfach, „das glaube 
ich und das ist auch so. Weißt du, Mr. Hobbs war mein 
Freund, und Dick auch und Mary, aber Herzlieb und ich, 
wir sind doch die aller-allerbesten Freunde und sagen einander 
alles. Und ich muß auch für sie sorgen, weil mein Papa 
das nicht mehr thun kann — wenn ich groß bin, werd' ich 
arbeiten und Geld verdienen." 
„Wie gedenkst du denn das anzufangen?" erkundigte sich 
der Großvater. 
Seine kleine Herrlichkeit setzte sich wieder auf den Kamin- 
vorsetzer, hielt das Bild in der Hand und schien sich seine 
Antwort reiflich zu überlegen. 
„Ich habe schon gedacht, ich könnte in Mr. Hobbs' Ge 
schäft eintreten," sagte er, „aber lieber würde ich Präsident." 
„Da schicken wir dich besser ins Oberhaus," sagte der Graf. 
„Ja nun, falls ich nicht Präsident werden kann und das 
auch ein gutes Geschäft ist, will ich's wohl thun. Spezerei 
geschäfte sind nicht immer unterhaltend." 
Vielleicht dachte er noch weiter über den Gegenstand 
nach, denn er blieb ganz ruhig sitzen und sah ins Feuer. Der 
Graf sprach nichts mehr, lehnte sich in seinen Fauteuil zurück 
und beobachtete das Kind. Manch neuer, ihm fremder Ge 
danke mochte den alten Edelmann beschäftigen. Dougal hatte 
sich lang ausgestreckt, den mächtigen Kopf auf die breiten 
Tatzen gelegt und schlief — tiefes Schweigen herrschte. 
Als eine halbe Stunde später Mr. Havisbam in das 
Zimmer geführt wurde, machte ihm der Graf halb unwill-
	        
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