71
„Setzen Sie sich, Mordaunt," sagte der ©ras.
„Eure Herrlichkeit ist sehr zu beglückwünschen," sprach
der Geistliche mit Wärme, indem er sich einen Stuhl zurecht
rückte; der Graf schien jedoch nicht geneigt, seine Gefühle
über den Punkt laut werden zu lassen.
„Er sieht seinem Vater ähnlich," bemerkte er ziemlich
kurz angebunden. „Hoffentlich führt er sich einmal verstän
diger auf. Nun, und was gi&t’S heute, Mordaunt?" setzte er
hinzu. „Wer ist wieder einmal im Elend?"
Das klang lange nicht so schlimm, als Mr. Mordaunt
erwartet hatte, und doch begann er erst nach einigem Zögern
sein Anliegen vorzutragen.
„Es handelt sich um Higgins — Higgins von der äußeren
Farm. Der Mann hat Unglück gehabt. Ich will nicht ge
rade behaupten, daß er ein sehr guter Wirtschafter ist, allein
die Verhältnisse sind derart, daß er zurückkommen mußte. Er
selbst war letzten Herbst krank, dann hatten die Kinder das
Scharlachfieber und nun liegt die Frau. Es handelt sich um
den Pachtzins und Newick droht, ihm sofort zu kündigen,
wenn er nicht zahlt. Die Sache steht natürlich sehr schlimm
für ihn, und er kam gestern zu mir mit der Bitte, mich bei
Ihnen für die Gewährung einer längern Frist zu verwenden."
„Das alte Lied," sagte der Graf sichtlich verstimmt.
Fauntleroy stand zwischen dem Großvater und dem
Besucher und war ganz Ohr. Er „ dressierte" sich natür
lich sofort für Higgins und die Kinder und hätte gar zu
gern gewußt, wie viele es ihrer seien, und ob sie sehr krank
gewesen.
„Higgins ist ein wohlgesinnter Mann," bemerkte der
Geistliche, bemüht, sein Gesuch zu unterstützen.
. „Und ein schlechter Pächter, der imnier im Rückstände ist,"
erwiderte Seine Herrlichkeit. „Ich weiß das von Newick."
„Augenblicklich ist die Not groß. Der Mann hängt
sehr an seiner Familie, und wenn ihm die Pacht gekündigt
wird, so können sie alle miteinander verhungern. Zudem
verordnet der Arzt Wein und kräftige Kost für die Kinder,
und Higgins weiß nicht, woher das nehmen."
„So war's gerade bei Michael," warf Lord Fauntleroy,
näher tretend, ein.
Der Graf blickte überrascht auf. „Dich hatte ich ganz
vergessen," sagte er. „Dachte gar nicht mehr daran, daß wir
einen Philanthropen im Zimmer haben. Nun, wer war denn