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das Scharlachfieber gehabt haben. Er hat ja selber auch
Kinder gehabt; ich bin seines Sohnes kleiner Junge."
Higgins war einigermaßen in Gefahr, vom Schlage ge
rührt zu werden, und hielt es für alle Fälle für geraten,
den Grafen nicht anzusehen, dessen väterliche Zärtlichkeit sich,
wie jedermann wußte, damit begnügt hatte, seine Söhne ein-
oder zweimal im Jahre zu sehen, und der, sobald eins von
der Familie erkrankte, sofort nach London abgereist war, um
„dem Volk von Aerzten und Krankenpflegerinnen" aus dem
Wege zu gehen. So eisern Mylords Nerven auch waren, ganz
leicht war es nicht für ihn, mitanhören zu müssen, wie sein
warmer Anteil an dem Scharlachfieber der Higginsschen Kinder
gerühmt wurde.
„Ihr seht, Higgins," fiel er mit seinem grimmigen
Lachen plötzlich ein, „wie gründlich ihr Leute euch in mir
getäuscht habt. Steig rasch ein, Fauntleroy."
Ächtes Kapitel.
Kelten lernen.
Das grimmige Lächeln wurde in der nächsten Zeit fast
ein stehender Zug auf des Grafen Gesicht, und je mehr er
sich daran gewöhnte, desto weniger grimmig wurde es, und
sah schließlich einem richtigen Lächeln zum Verwechseln ähn
lich. Der alte Herr war der Gicht, Einsamkeit und seiner
siebzig Jahre etwas überdrüssig gewesen; nach einem langen
Leben voll rauschender Vergnügungen und Zerstreuungen war
die Existenz in einem noch so bequemen Fauteuil, mit deni
einen Beine auf dem Gichtstuhle und als einzige Abwechslung
Zornesausbrüche gegen die Dienerschaft etwas eintönig. Der
Graf wußte sehr genau, daß seine Untergebenen ihn verab
scheuten und daß auch die seltenen Besucher nicht gerade aus
reiner Neigung sich einfanden — einzelne ausgenommen, die
an seinen scharfen, keinen Menschen verschonenden Sarkasmen
Geschmack fanden. Lesen konnte er auch nicht immer, und so
waren ihm allmählich die langen Nächte und die Tage zuwider
geworden und seine Reizbarkeit und üble Laune hatten sich