Abhandlung II. § 4. 5.
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wäkluug in Jesu Christo ist. Selbst wenn die Auswahl
die Ursache oder die Folge der Absicht Gottes, den
Glauben zu gewähren, ist, so bleibt es doch immer
wahr, dass er den Glauben und das Heil austheilt, wie
es ihm beliebt, ohne dass ein Grund für seine Auswahl
sich zeigt, die nur auf eine sehr kleine Zahl von Men
schen trifft.
5. Es ist also ein schreckliches Ergebniss, dass
Gott, indem er seinen einzigen Sohn für die ganze
Menschheit hingiebt, und er der einzige Urheber und
Herr des Heils der Menschen ist, doch nur so wenige
rettet und alle andern seinem Feinde, dem Teufel über
lässt, der sie in Ewigkeit quält und ihrem Schöpfer
fluchen macht, obgleich doch alle geschaffen worden
sind, um seine Güte, seine Gerechtigkeit und übrigen
Vollkommenheiten auszubreiten und zu offenbaren. Dies
Ereigniss ist um so erschreckender, als alle diese Men
schen nur deshalb ewig unglücklich sind, weil Gott ihre
Voreltern einer Versuchung ausgesetzt hat, von welcher
er wusste, dass sie ihr nicht wiederstehen würden; dass
diese Sünde den Menschen anhängt und zugerechnet
wird, noch ehe ihr Wille sich dabei betheiligt hat, dass
diese Erbsünde ihren Willen bestimmt, wirkliche Sünden
zu begehen und dass eine Unzahl Menschen, Kinder und
Erwachsene, die niemals von Jesus Christus, dem Heiland
der Menschheit, haben sprechen hören oder ihn nicht
hinreichend verstanden haben, sterben, bevor sie die
Hülfe erhalten, um sich von diesem Abgrund der Sünde
zurückzuziehen; die zu ewigen Empörern gegen Gott
verurtheilt und dem schrecklichsten Elend in Gemein
schaft mit den abscheulichsten der Geschöpfe hingegeben
sind, obgleich doch im Grunde diese Menschen nicht
schlechter als die andern gewesen sind, und obgleich
vielleicht manche von ihnen weniger schuldig gewesen
sind, als jene kleine Zahl der Auserwählten, welche
durch eine Gnade ohne Grund gerettet worden sind und
dadurch eine ewige Seligkeit geniessen, die sie nicht
verdient haben. — Dies ist eine kurze Darstellung der
Schwierigkeiten, welche Viele gefühlt haben. Herr
Bayle gehört zu denen, welche sie am stärksten dar
gestellt, wie sich später ergeben wird, wenn ich seine
Aussprüche prüfen werde; für jetzt habe ich wohl alles