Abhandlung II. § 13. 14. 15.
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Leben wieder mit dem Bedingen annähmen, um es mit dem
selben Werth von Gütern und Schmerzen zu verbringen,
namentlich wenn es nicht dieselben Arten bei beiden
wären. Man wäre schon mit dem Wechsel zufrieden,
ohne einen bessern Zustand, als den verlebten, zu
verlangen.
14. Betrachtet man die Gebrechlichkeit des mensch
lichen Körpers, so bewundert man die Weisheit und
Güte des Schöpfers der Natur, welcher ihn so dauerhaft
und seinen Zustand so erträglich gemacht hat. Ich
wundere mich deshalb nicht, dass die Menschen manch
mal krank werden, sondern ich wundere mich, dass sie
es so wenig werden und dass sie es nicht immer sind.
Deshalb haben wir auch um so mehr die göttliche
Kunst in dem Mechanismus der Thiere zu bewundern,
deren Maschinen der Schöpfer so zerbrechlich und leicht
verderblich gemacht hat und die doch so fähig sind,
sich zu erhalten; denn die Natur heilt uns mehr, als die
Arznei. Nun ist diese Gebrechlichkeit eine Folge von
der Natur der Dinge, wenn man nicht verlangt, dass es
diese Art von Geschöpfen, welche Vernunft haben und
mit Fleisch und Knochen versehen sind, gar nicht in der
W 7 elt geben solle. Allein dies würde offenbar ein
Mangel sein, den einige frühere Philosophen ein Vacuum
formarum, eine Lücke in der Ordnung der Gestaltungen
genannt haben würden. 4i )
15. Leute von solcher Gemüthsart, dass sie mit der
Natur und ihrer Lage zufrieden sind und sich nicht
darüber beklagen, auch wenn sie nicht das beste Loos
erhalten haben, möchte ich den Andern vorziehen.
Denn abgesehen, dass diese Klagen ohne Grund sind,
ist dies in Wahrheit ein Murren gegen die Ordnung der
Vorsehung. Man soll sich nicht leicht zu den Unzufrie
denen in dem Staat gesellen, in dem man sich befindet
und man soll es durchaus nicht in dem Staate Gottes,
wo man nicht ohne Unrecht unzufrieden sein kann. Die
Bücher über das menschliche Elend, wie das des Papstes
Innocenz III., sind nicht eben die nützlichsten; man
verdoppelt die Uebel, indem man ihnen Aufmerksam
keit zuwendet, die man vielmehr von ihnen weg den
Gütern zuwenden sollte, die jene weit übertreffen. Noch
weniger billige ich Bücher, wie das des Abts Esprit von