Theodicee von Leibniz.
Vorrede.*)
Zu allen Zeiten hat die grosse Masse der Menschen
ihre Gottesverehrung in Formalitäten verlegt; die wahre
Frömmigkeit, d. li. das Lielit a ) und die Tugend ist
niemals das Erbtheil der Menge gewesen; darüber darf
man sich nicht wundern, denn nichts stimmt mehr zur
menschlichen Schwachheit. Das Aeussere drängt sich
uns auf; das Innere verlangt dagegen Erwägungen, zu
denen nur Wenige sich die Fähigkeit erwerben. Die
wahre Frömmigkeit besteht in Grundsätzen und deren
thätiger Befolgung; die Formalitäten der Gottes
verehrung ahmen jener nur nach und sind von zweierlei
Art; die einen bestehen in ceremoniellen Hand
lungen, die anderen in Glaubensformeln. Die
Ceremonien ähneln den tugendhaften Handlungen und
die Glaubensformeln sind gleichsam Schatten der Wahr
heit und nähern sich mehr oder weniger dem reinen
Lichte. Alle diese Formalitäten wären löblich, wenn
die, welche sie erfunden haben, sie so eingerichtet hätten,
dass sie im Stande wären, das zu bewahren und aus
zudrücken, wovon sie die Abbilder sind, und wenn die
religiösen Ceremonien, und die kirchliche Zucht, so wie
die Kegeln der Gemeinschaften und die menschlichen
Gesetze deni göttlichen Gesetze gleichsam als eine Art
Einhegung dienten, welche uns von der Annäherung an
das Laster zurückhielte, uns an das Gute gewöhnte und
Theodicee von Leibniz.