Anhang X.
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Sophisma nannten. So trägt gerade die Voransbestimmung
der Ereignisse durch ihre Ursachen zur Moralität bei,
anstatt sie zu zerstören; die Ursachen reizen nur den
Willen, aber zwingen ihn nicht. Deshalb ist die Be
stimmung, um die es sich handelt, keine Nothwendigkeit.
Es ist für den, der alles weiss, gewiss, dass die Wirkung
diesem Reize folgen wird, allein diese Wirkung folgt
daraus nicht vermöge einer nothwendigen Folge, d. h. nicht
deshalb, weil ihr Gegentheil einen Widerspruch enthält;
auch bestimmt sich der Wille in Folge einer solchen innern
Neigung, ohne dass hier eine Nothwendigkeit besteht.
Man setze, dass jemand die heftigste Leidenschaft von
der Welt habe (z. B. einen grossen Durst) und man wird
mir zugestehen, dass die Seele einen Grund finden kann,
um ihr zu widerstehen, selbst wenn es nur der wäre,
ihre Macht zu zeigen. Wenn man also auch niemals in
einem vollkommenen Gleichgewicht des Wollens sich be
findet und immer eine überragende Neigung für die
Seite besteht, der man sich zuwendet, so macht dies doch
den Entschluss, den man fasst, niemals zu einem noth
wendigen. 26S )
IV. Einwurf. Wer die Sünde eines Andern ver
hindern kann und es nicht thut, vielmehr dazu mit bei
trägt, obgleich er die genügende Kenntniss hat, ist ein
Mitschuldiger.
Gott kann die Sünden der verständigen Geschöpfe
hindern, er thut es aber nicht, vielmehr trägt er durch
seine Mithülfe und durch die Gelegenheiten, die er ent
stehen lässt, mit dazu bei, obgleich er eine vollkommene
Kenntniss dessen hat.
Also u. s. w.
Antwort. Ich bestreite den Obersatz dieses
Schlusses; denn es kann sein, dass man die Sünde
hindern kann, aber es nicht thun darf, weil man es
nicht könnte, ohne selbst eine Sünde zu begehen, oder
(wenn es sich um Gott handelt) ohne eine unvernünftige
Handlung zu begehen. Ich habe Beispiele dazu gegeben
und die Anwendung davon auf Gott selbst gemacht. Es
kann auch kommen, dass man zum Uebel beiträgt und
mitunter demselben sogar den Weg öffnet, indem man
Dinge thut, zu denen man verpflichtet ist. Thut man
nun seine Pflicht, oder (von Gott gesprochen) wird, alles