Anhang I.
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den Willen Gottes. Diese NotliWendigkeit heisst die
moralische, weil bei dem Weisen das Nothwendige und
das Schuldige gleichbedeutende Dinge sind; und wenn
sie sich immer verwirklicht, wie es bei dem vollkommnen
Weisen der Fall ist, d. h. bei Gott, so kann man sagen,
dass sie eine glückliche Nothwendigkeit ist. Je mehr die
Geschöpfe sich ihr nähern, desto mehr nähern sie sich
der vollkommnen Glückseligkeit. Auch ist diese Art von
Nothwendigkeit nicht die, welche man zu vermeiden sucht,
und welche die Moralität, den Lohn und das Lob auf
hebt; denn das, wozu sie treibt, geschieht nicht trotz
dem, was man thue oder wolle, sondern weil man es
richtig will. Ein Wille, dem die Wahl des Guten natür
lich ist, verdient gerade das höchste Lob und er hat
seinen Lohn in sich selbst, nämlich das höchste Glück.
Da nun diese Verfassung der göttlichen Natur dem eine
volle Befriedigung gewährt, der sie besitzt, so ist sie
auch für die Geschöpfe die beste und wünschenswertheste,
die ja alle von Gott abhängen. Hätte der Wille Gottes
nicht den Grundsatz des Besten zur Regel, so würde er
sich zum Bösen wenden, was schlimmer wäre, oder er
wäre vielleicht für das Gute und Ueble in gewisser Weise
gleichgültig und würde von dem Zufall geführt. Ein
Wille aber, der sich immer nach dem Zufall gehen Hesse,
würde kaum besser für die Regierung der Welt sein, als
das zufällige Zusammentreffen der Körperchen, ohne dass
eine Gottheit dabei bestände. Selbst wenn Gott sich dem
Zufall nur in einzelnen Fällen und in einer gewissen Art
überliesse (wie es der Fall sein würde, wenn er nicht
immer voll auf das Beste sich richtete) und wenn er fähig
wäre, ein geringeres Gut einem grösseren vorzuziehen
(d. h. ein Uebel einem Gute, weil das, was ein grösseres
Gut verhindert, ein Uebel ist), so würde er unvollkommen
sein, wie der Gegenstand seiner Wahl; er verdiente dann
kein volles Vertrauen, er handelt in solchem Falle ohne
Vernunft und die Regierung der Welt würde dann jenen
Kartenspielen gleichen, wo halb das Glück und halb die
Vernunft entscheidet. Dies alles ergiebt, dass dieser Ein
wurf gegen die Wahl des Besten, die Begriffe der Freiheit
und Nothwendigkeit verdreht und uns das Beste sogar als
ein Schlechtes darstellt, was entweder boshaft oder lächer
lich ist. 270 )