Full text: Die Theodicee. (4)

Anhang I. 
437 
den Willen Gottes. Diese NotliWendigkeit heisst die 
moralische, weil bei dem Weisen das Nothwendige und 
das Schuldige gleichbedeutende Dinge sind; und wenn 
sie sich immer verwirklicht, wie es bei dem vollkommnen 
Weisen der Fall ist, d. h. bei Gott, so kann man sagen, 
dass sie eine glückliche Nothwendigkeit ist. Je mehr die 
Geschöpfe sich ihr nähern, desto mehr nähern sie sich 
der vollkommnen Glückseligkeit. Auch ist diese Art von 
Nothwendigkeit nicht die, welche man zu vermeiden sucht, 
und welche die Moralität, den Lohn und das Lob auf 
hebt; denn das, wozu sie treibt, geschieht nicht trotz 
dem, was man thue oder wolle, sondern weil man es 
richtig will. Ein Wille, dem die Wahl des Guten natür 
lich ist, verdient gerade das höchste Lob und er hat 
seinen Lohn in sich selbst, nämlich das höchste Glück. 
Da nun diese Verfassung der göttlichen Natur dem eine 
volle Befriedigung gewährt, der sie besitzt, so ist sie 
auch für die Geschöpfe die beste und wünschenswertheste, 
die ja alle von Gott abhängen. Hätte der Wille Gottes 
nicht den Grundsatz des Besten zur Regel, so würde er 
sich zum Bösen wenden, was schlimmer wäre, oder er 
wäre vielleicht für das Gute und Ueble in gewisser Weise 
gleichgültig und würde von dem Zufall geführt. Ein 
Wille aber, der sich immer nach dem Zufall gehen Hesse, 
würde kaum besser für die Regierung der Welt sein, als 
das zufällige Zusammentreffen der Körperchen, ohne dass 
eine Gottheit dabei bestände. Selbst wenn Gott sich dem 
Zufall nur in einzelnen Fällen und in einer gewissen Art 
überliesse (wie es der Fall sein würde, wenn er nicht 
immer voll auf das Beste sich richtete) und wenn er fähig 
wäre, ein geringeres Gut einem grösseren vorzuziehen 
(d. h. ein Uebel einem Gute, weil das, was ein grösseres 
Gut verhindert, ein Uebel ist), so würde er unvollkommen 
sein, wie der Gegenstand seiner Wahl; er verdiente dann 
kein volles Vertrauen, er handelt in solchem Falle ohne 
Vernunft und die Regierung der Welt würde dann jenen 
Kartenspielen gleichen, wo halb das Glück und halb die 
Vernunft entscheidet. Dies alles ergiebt, dass dieser Ein 
wurf gegen die Wahl des Besten, die Begriffe der Freiheit 
und Nothwendigkeit verdreht und uns das Beste sogar als 
ein Schlechtes darstellt, was entweder boshaft oder lächer 
lich ist. 270 )
	        
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