Full text: Die Theodicee. (4)

Anhang II. 
443 
die Gewissheit der Ereignisse und selbst deren Notli- 
wendigkeit, wenn es eine solche gäbe, wonach unsere 
Handlungen von Ursachen abkängen, uns nicht in der 
Anwendung von Ueberlegungen, Ermahnungen, von Tadel 
und Lob, von Strafen und Belohnungen hindern würde, 
weil sie dazu dienen und die Menschen veranlassen, ihre 
Handlungen vorzunehmen oder deren sich zu enthalten. 
Wären daher die Handlungen der Menschen nothwendig, 
so würden sie es durch diese Mittel sein. — Allein die 
Wahrheit ist, dass diese Handlungen nicht unbedingt 
nothwendig sind, was man auch dagegen thue, vielmehr 
dienen diese Mittel nur dazu, diese Handlungen so zu 
beschliessen und gewiss zu machen, wie sie es wirklich 
sind, da ihre Natur zeigt, dass sie einer unbedingten 
Notwendigkeit unfähig sind. Herr Hobbes giebt auch 
eine ganz gute Definition von der Freiheit, im all 
gemeinen Sinne genommen, wo sie den verständigen und 
den nicht verständigen Substanzen gemeinsam ist, indem 
er sagt, dass jedes Ding für frei gilt, wenn seine Macht 
nicht durch eine andere äussere Ursache gehindert wird. 
So hat das durch einen Damm aufgehaltene Wasser, die 
Macht sich zu verbreiten, aber nicht die Freiheit dazu; 
während es nicht die Macht hat, sich über den Damm 
zu erheben, obgleich dann Nichts es an seiner Ver 
breitung verhindern würde und selbst kein äusserlicher 
Gegenstand es hindert, so hoch zu steigen; vielmehr 
wäre dazu nöthig, dass es selbst höher steige oder dass es 
durch einen Zuwachs an Wasser so hoch stiege. Ebenso 
fehlt dem Gefangenen die Freiheit und dem Kranken die 
Macht, davon zu gehen. 
5. In der Vorrede zählt Herr Hobbes die streitigen 
Punkte kurz auf; ich nehme diese hier auf und werde 
mein Urtheil beifügen. Er sagt: Von einer Seite be 
hauptet man, dass der Mensch gegenwärtig nicht 
die Macht habe denjenigen Willen sich zu 
wählen, den er haben soll. —Dies ist gut gesagt, 
hauptsächlich in Bezug auf den gegenwärtigen Willen: 
die Menschen wählen wohl die Gegenstände durch ihr 
Wollen, aber sie wählen nicht ihr gegenwärtiges Wollen; 
dies kommt von ihren Zuständen und Gründen. Indess 
ist es richtig, dass man neue Gründe aufsuchen kann und 
mit der Zeit sich auch einen andern Zustand geben kann
	        
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