Full text: Das sogenannte Gesetz des Mose (5)

nachdem er doch einmal eine Umformung und Erweiterung vornahm. 
Nur das ist sicher, daß diese Spruchsammlung nichts anderes als eben 
eine Umformung jener Grundform der Zehn-Gebote ist. Sie bewahrt 
denselben Gedankengang und kehrt, wo sie von ihm abweicht, regelmäßig 
wieder zu ihm zurück; gegen Ende geht sie ganz in den Wortlaut der 
Grundform über. Sie ist im ganzen nur wortreicher und eindringlicher 
gefaßt als jene. 
Die Erweiterungen beziehen sich auf zwei Punkte: betreffend den 
Kultus ist das von uns als 3 gezählte Wort über den Altarbau hinzu 
gekommen ; und ganz neu sind die unter 4 zusammengestellten sozialen 
Gebote, nu die sich die Erweiterung des Sabbatgedankens in Gebot 6 
anschließt. Erheblicher abweichend in der Formulierung sind außer 
dem noch das Verbot über die fremden Götter (Gebot 1; selbst das 
Aussprechen ihrer Namen wird verboten!) und die Mahnung über pünkt 
liche Ablieferung der Opfer au Jahwe (Gebot 3). 
Die Erweiterung der Kultusgebote und ihre Ausdehnung auf den 
Altarbau ist sehr charakteristisch. Natürlich bestanden in Wirklichkeit 
in allen größeren Heiligtümern kunstvolle Altäre. Der Altar von Jeru 
salem war aus Bronze gegossen; der judäische König Ahas (um 728) hat 
ihn durch einen noch schöneren ersetzen lassen, der nach einem babylonischen 
Modell gefertigt war, das der König in Damaskus gesehen hatte. 
(2. Könige 16.) Der einzige israelitische Altar, der bei Ausgrabungen 
bisher wiedergefunden wurde, hat aus Steinplatten und Stufen be 
standen. Also auch hier ist gar kein Gedanke daran, daß dieses 
lewitische Altargebot im wirklichen Leben irgendwelche Befolgung ge 
funden hätte. Es ist nur ein Zeichen dafür, wie abgelegen und ver 
altet die Heiligtümer gewesen sein müssen, au denen lewitische Priester 
in dieser Zeit amtierten. Zugleich aber sehen wir, wie schon von ihrem 
Ursprung her diese Bewegung jene Abneigung gegen Kunst, Schönheit 
und Geschmack in sich trug, die für die spätere jüdische Religion so 
charakteristisch wurde. 
Ungleich viel wichtiger aber als diese Erweiterung eines auch bisher 
schon vertretenen Gedankens ist die Aufnahme sozialer Forderungen 
in das Programm der Lcwiten. Sie ist für ihre Taktik und ihren 
sieg von entscheidender Bedeutung geworden. 
Das soziale Programm der Lewiten. 
Die Aufnahme sozialer Forderungen in das Grundgesetz der Lewiten 
ist eine Neuerung, die erst die elohistische Neubearbeitung der jahwistischen 
Schriften enthält. Auch früher haben wir gelegentlich schon gesehen, 
daß gerade der Elohist in seiner ganzen Erzählung auf eine Zuhörer 
schaft von Armen und Sklaven rechnet. Wir dürfen demnach wohl 
annehmen, daß er auch hier mit bewußter Absicht gehandelt hat. 
Aber es ist außerordentlich charakteristisch, wie wenig diese Priester 
den Proletariern an wirklicher Hilfe zu bieten hatten. Sie denken gar 
nicht daran, irgendeine Institution zu beseitigen, wie etwa das Recht, 
den zahlungsunfähige:! Schuldner in die Sklaverei zu verkaufen; auch 
das Kahlpfändungsrecht und die Rechtlosigkeit des nicht zu den Bürgern 
gehörenden Fremdlings lassen sie ruhig bestehen. Sie helfen nur mit 
der Mahnung zu schonender Milde in der Behandlung von Mensch zu 
Mensch: man soll den Fremdling nicht drücken, soll den Schuldner nicht 
pressen, soll den Sabbat halten, damit Vieh, Sklaven und Tagelöhner 
(man beachte die Reihenfolge!) einmal aufatmen können. Und wer
	        
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