1.8
6. Meine Sabbate sollt ihr beobachten und mein Heiligtum
fürchten. Ich bin Jahwe, euer Gott.
7. Nicht sollt ihr euch zu Totengespenstern und Wahrsagegeistern
wenden; befragt sie nicht, euch durch sie zu verunreinigen. Ich bin
Jahwe, euer Gott.
8. Tut kein Unrecht im Gericht, beim Längenmaß, beim Gewicht
oder beim Hohlmaß: richtige Wage, richtige Gewichte, richtigen Scheffel
und richtiges Liter sollt ihr haben. Ich bin Jahwe, euer Gott; der
euch aus dem Lande Aegypten herausgeführt hat.
Und ihr sollt alle meine Ordnungen und alle meine Rechts
satzungen beobachten und sollt sie tun. Ich bin Jahwe!
(Stücke aus 3. Mose 19.)
Die Gedanken beider Spruchreihen sind so ähnlich, daß man sie
später leicht hat zu einer einzigen zusammenstellen können; aber der
Wechsel in der Person der Angeredeten und im Refrain zeigen doch,
daß es ursprünglich zwei gleichartige Reihen waren. Vergleichen wir
sie mit den bisher besprochenen Lewiten-Programmcn, so fällt vor
allem'das Fehlen all jener kultischen Vorschriften auf, die diesen ihren
Charakter gaben. Von Festen, Opfern und Abgaben an die Priester
ist nicht mehr die Rede; höchstens werden die Kulte anderer Götter
und die illegitime Konkurrenz aller Priester, die Geisterseher, Toten
beschwörer, Winkelpropheten usw. verboten (II. 3, 3, 7), oder es wird
die bei den Reichstempeln übliche Sitte verdammt, daß Jungfrauen
ihre Jungfräulichkeit preisgaben, um den Gott der Fruchtbarkeit be
sonders zu ehren (I, 5).
Im wesentlichen vielmehr sind die Gebote, die hier gesammelt sind,
sozialen und moralischen Inhaltes: sie gelten der Fürsorge für den
Armen und Tagelöhner und dringen vor allem wieder auf gerechtes
Gericht. Aber es kommen gelegentlich auch allgemein-menschliche Gebote
hinzu: Ehrfurcht vor dem Älter (I. 6) oder vor Vater und Mutter (II, 1),
oder das Gebot, dem Volksgenossen nicht zu zürnen, sondern ihn in
Geduld auf den rechten Weg zu weisen. Das beweist, daß wir uns
mit solchen Spruchreihen in einer ganz anderen Situation befinden,
als mit den bisher besprochenen Lewitenprogrammen. Es gilt nicht
mehr den fanatischen Kampf einer Priestersippe gegen ihre glücklicheren
Konkurrenten; man braucht nicht mehr die elementarsten Kultusgesetze
festzulegen; man kann in Geduld und Milde Propaganda treiben von
Einzelperson zu Einzelperson.
Mit anderen Worten: cs gibt bereits eine Gemeinde, die sich um
die Lewitengedanken gesammelt hat. Sie lebt zwischen dem übrigen
Volk, wird vielleicht von ihm gehaßt und verfolgt, aber sie selbst ant
wortet nicht mehr mit dem gleichen Haß: sie rechnet es sich selbst zur
Schuld an, wenn einer ihrer Volksgenossen in Sünde gerät, ohne von
Jahwes Willen wenigstens etwas gehört zu haben. Sie lebt in Propa
ganda und predigt und sucht immer neue Anhänger zu gewinnen.
Nur die Existenz einer solchen besonderen Gemeinde der Frommen
innerhalb des Volkes" erklärt die Entstehung solcher und ähnlicher
Spruchreihen. Sie dienen mehr dem Bedürfnis der individuellen
Propaganda von Mund zu Mund als dem großen, ins Oeffentliche
gehenden Kanipf. Es sind Lebensregeln, die die Frommen sich selber
vorhalten, nach denen sie ihre Werbetätigkeit einrichten, — und nach
denen sie vor allem ihre Kinder erziehen. Jene Sprüche über die Ehr
furcht vor dem Alter und vor den Eltern weisen darauf hin, daß man