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Auf der einen Seite hatte man somit notgedrungen die Menschen
vom Heiligtum unabhängiger machen müssen, als man ihnen die
Heiligtümer in ihrer Nähe nahm. Um so stärker mußte man auf der
anderen Seite versuchen, sie so oft wie nur irgend möglich zum Ze»-
tralheiligtum kommen zu lassen. So wurde bestimmt, daß alle Opfer
nur in Jerusalem gebracht werden dürften. Und alle Opfer, die die
Lewitenprogramme bisher schon gefordert hatten, blieben aufrecht
erhalten: Der Zehnte vom Korn, Most und Oel und von der Schur der
Schafe, die Erstgeburt der Rinder und Schafe, die freiwilligen Opfer,
die man zum Dank für irgendeine besondere Wohltat brachte, und die
auf Grund von Gelübden, die man in der Not getan hatte. Alles sollte
nunmehr nach Jerusalem zusammenströmen!
Und auch die großen Feste, die jede Ortsgemeinde bisher an dem
Jahwealtar ihres Wohnortes gefeiert hatte, sollten nun nach Jeru
salem konzentriert werden. Sogar das Passah, das doch seinem ganzen
Wesen nach in der Wohnung gefeiert werden mußte, sollte in Jerusalem
stattfinden. Man verzichtete zwar auf eine siebentägige Feier, deren
Durchführung mitten in der Zeit der Feldbestellung doch nicht möglich
gewesen wäre. Aber da das Passah des Nachts verzehrt wurde, so erforderte
die Verlegung der Feier nach Jerusalem immerhin noch eine Abwesenheit
von Hause von mindestens zwei Tage». Beim Wochensest wurde nur die
einfache Anwesenheit in Jerusalem gefordert: man sollte zum Tempel
bringen, was man wollte, „je nachdem Jahwe, dein Gott, dich ge
segnet hat". Diese Reise konnte für die Mehrzahl der Judäer wohl
in einem Tage erledigt werden. Beim Laubhüttenfest aber (so nannte
man von jetzt ab das frühere Erntefest im Herbst) soll man sieben
Tage in Jerusalem feiern! „Das Laubhllttenfest feiere sieben Tage
lang, wenn du den Ertrag von deiner Tenne und Kelter einsammelst.
Sei fröhlich an deinem Fest, du und dein Sohn und deine Tochter, dein
Knecht und deine Magd, und der Sehnt, der Fremdling, die Witwe
und Waise, die in deinem Orte wohnen. Sieben Tage lang sollst du
Jahwe, deinen Gott, feiern an der Stätte, die Jahwe, dein Gott, er
wählen wird; denn Jahwe, dein Gott, wird dich segnen in all deinem
Ertrage und bei aller Arbeit deiner Hände. Darum sei fröhlich, nur
fröhlich!" (16, 13—15.)
Diese Neuregelung der Feste war wieder eine neue Belastung der
Bauern zugunsten der Priester. Schon die Festsetzung dreier Feste
im Lewitenprogramm gegenüber dem neuen, das mau in der Wirk
lichkeit kannte, sollte eine Vergrößerung der Einnahmen der Priester
herbeiführen und wäre mitten in der Feldarbeit für die Bauern eine
schwere Sache gewesen. Jetzt legte man den Menschen noch dazu eine
zweitägige, eintägige oder achttägige Abwesenheit von der Heimat auf,
mit all den Unkosten und Schwierigkeiten, die die Uebernachtung einer
solche!» Menschenmasse in der Hauptstadt notwendig hervorrufen mußte.
Alle Instinkte der Wirklichkeit mußten sich dagegen empören; aber der
Vorteil der Jerusalemer Priester war dabei am besten gewahrt!
Noch stand das Gesetz auf dem Standpunkt, daß den Hauptteil
jedes Opfers der Opfernde selbst zu verzehren habe. Das Fest sollte
ein Freudenfest vor Jahwe sein, wo man Fleisch und Weil: in Masse
verzehrte. Aber es wurden doch schon recht erhebliche Stücke als Ab
gabe für den Priester gefordert: von jedem Rind oder Schaf ein Vorder
bein, die Kinnbacken und der Magen; die Erstlinge vom Korn, Most
nnd Oel und die erste Schur der Schafe ganz! (18, 1—4.) Das ist
wieder erheblich viel mehr, als im alter Zeit wirklich geleistet wurde.