Full text: Das sogenannte Gesetz des Mose (5)

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Mit diesen Worten hat jedenfalls ursprünglich das Gesetzbuch ge- 
schlossen. Es ist ein großer Appell an den Zuhörerkreis, sich heute noch, 
noch in letzter Stunde, für Jahwe und sein Gesetz zu entscheiden. 
Bemerkenswert an dieser Schlußrede ist, wie auch setzt noch Segen 
und Fluch Jahwes realistisch und irdisch verstanden werden. Segen 
heißt volle Scheuern, volle Schüsseln, genügender Regen, weites Gebiet, 
mächtige Stellung' Fluch heißt Verdorrung und Verarmung. Noch 
ist auch für diefe Priester „Seligkeit" oder „Segen" Jahwes nichts 
anderes als ein glückliches, auskömmliches Leben, als Reichtum, Gesund 
heit und Macht. Die Religion ist noch nicht zu der Umkehrung aller 
natürlichen Instinkte gekommen, daß sie Armut und Leid als besondere 
Gnade preist. Die Armut erscheint noch als Fluch, als Jahwes Strafe 
dafür, daß das Volk so lange Jahwes Gesetzbuch vergessen habe. 
Mit diesem Gedanken mündet der Schluß wieder bei dem, was 
schon die Einleitung dargelegt hatte. Und noch deutlicher, als dort, 
zeigt sich hier, daß der Fluch Jahwes die Wirklichkeit war, in der die 
Menschen tatsächlich lebten. Nicht nur, daß die Fluchworte erheblich 
viel umfangreicher sind als die Sprüche des Segens; es wird bei 
ihnen auch ausdrücklich gesagt, daß sie über das Volk kommen, weil 
es die Gebote Jahwes mißachtet h a t. Im Munde Moses dürfte es 
doch höchstens heißen: w c n n es diese Gebote mißachten w i r d. Der 
Verfasser fällt aber zum Schluß aus der Rolle; hingerissen durch das 
Feuer seiner Rede, spricht er auf einmal doch als Zeitgenosse zu seinen 
Zeitgenossen, nicht mehr als Mose zu der ersten oder zweiten Generation 
in der Wüste. 
Und damit enthüllt sich zuletzt noch in drastischer Weise, was wir 
ja schon jedem Satze dieses merkwürdigen „Gesetzbuches" anfühlen 
konnten: cs ist kein Gesetzbuch im eigentlichen Sinne des Wortes, wie 
wir sie bei anderen Völkern finden; es ist eine Predigt, in die gesetz 
liche Bestimmungen hineingestellt sind. Es ist eine große Anklage- und 
Mahnrede an die Zeitgenossen, von vornherein dazu bestimmt, in einem 
feierlichen Augenblick vor einer großen Versammlung vorgelesen zn 
werden. In dem feierlichen Heute, in dem sie mündet, weist sie nicht 
nur auf den Tag zurück, an dem sie einst von Mose gehalten worden 
sein wollte, sondern auch auf einen Tag voraus, an dem sie in Wirk 
lichkeit allem Volke vorgelegt werden sollte. Die älteren lewitischen 
Programme waren zunächst nichts anderes als literarische Dokumente 
gewesen, Einfügungen oder Nachdichtungen nach Art jenes ältesten 
Geschichtsbuches des Jahwisten. Sie wollten in langsamer Wirkung 
der Propaganda der Lewitem eine Stütze verleihen. Dieses „Gesetzbuch 
des Mose" aber war bcm Anfang an zur feierlichen Verlesung in einem 
bestimmten Moment geschrieben. . Es diente der Aktion und nicht der 
allgemeinen grundsätzlichen Propaganda. 
Und so ist es denn auch durch den Sturm eines Tages zum 
Grundgesetz des jndäischen Kultus geworden! 
Wir haben noch den anschaulichen Bericht eines Augenzeugen, der 
von diesem großen Tage berichtet. 
Die Durchführung des Gesetzes im Jahre 623 vor Christus. 
„Im achtzehnten Jahre des Königs Joschijahu (623 vor Christus) 
aber sandte der König den Staatssekretär Schafan, den Sohn Asaljas, 
des Sohnes Mefchullams, in den Tempel Jahwes, mit dem Befehl: 
Gehe hinauf zum Oberpriester Hilkijahu, daß er das Geld ausschütte.
	        
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