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buch handelt, das man bis dahin in der Volksmasse noch gar nicht
gekannt hat. Daher die große Bestürzung, mit der man es anhört;
daher die Eile, mit der man wenigstens nun das gerade fällig werdende
Laubhüttenfest begeht; daher der Bußtag und die Verpflichtung, von
nun an dieses Gesetz halten zu wollen. Wieder, wie 623, erschütterte
der Gedanke die Menge, daß map unwissend gegen Jahwe gefrevelt
hatte: man hatte seit unvordenklicher Zeit sein Gebot, und hatte doch
noch nie etwas davon gewußt und danach gelebt! Wieder meinte man,
die traurige" LW, in der man sich befand (Unterjochung unter das
Perserreich), als Rache Jahwes fiir diese Unterlassungssünde betrachten
zu dürfen. Und wieder nahm man eine Reformation der Religion mit
Beivußtsein vor, um dieses traurige äußere Geschick dadurch zu enden.
Ueber Inhalt und Herkunft dieses neuen Gesetzbuches wissen wir
damit freilich noch nichts. Aber es gibt andere Zeugnisse, die uns
dariiber Klarheit geben.
Der Priester Esra.
Der Priester Esra, der den jerusalemischeu Juden dieses „Gesetz
buch des Mose" brachte, war 13 Jahre zuvor mit einer Karawane von
rund 2000 Köpfen aus Babylon nach Jerusalem gekommen. Er hatte
zu der babylonischen Gemeinde der Juden gehört, die trotz der Er
laubnis des Kyrus im Jahre 338 vor Christus nicht nach Judäa
zurückkehrte, sondern sich i» der neuen Heimat Babylon für die Dauer
niedergelassen hatte. In diesen Kreisen also ist dieses neue Gesetzbuch
entstanden — und Esra selbst ist sein Verfasser gewesen!
Das geht mit voller Deutlichkeit aus einer Urkunde hervor, die
Esra aus Babylonien mitbrachte und die ihm die Grundlage fiir
sein Auftreten bot, nämlich einer Vollmacht des Perserkönigs, die ihn
ermächtigte, das neue Gesetz, dessen „Schreiber" er sei, in Judäa zur
Durchführung zu bringen. Diese Urkunde hat m ihrem wesentlichen
Teile folgenden Wortlaut:
„Artarerres, König der Könige, an den Priester Esra, dei>.
Schreiber des Gesetzes des Himmelsgottes usw. Von mir ist Befehl
erlassen, daß jeder von dem Volke Israel und seinen Priestern und
den Lewiten, der bereit ist, nach Jerusalem zu gehen, mit dir gehen
soll, da vom König und seinen sieben Ministern eine Gesandtschaft ent
sandt wird, um über Inda und Jerusalem eine Untersuchung anzu
stellen nach dem Gesetze deines Gottes, das in deiner Hand ist, und das
Silber und Gold hinzubringen, das der König und seine Räte dem
Gotte Israels, dessen Wohnsitz in Jernsalcnr ist, als Geschenk geweiht
haben, sowie alles Silber und Gold, das du in der ganzcir Provinz
Babel erhalten wirst, nebst den freiwilligen Gaben des Volkes Israel
und der Priester, welches sie dem Tempel ihres Gottes in Jerusalem
weihen. Demgemäß sollst du für dieses Gold gewissenhaft Stiere,
Widder, Lämmer und die zugehörigen Mahl- und Trankopfer kaufen
und sie ans dein Altar eures Gottes in Jerusalem opfern. Und
was dir und deinen Brüdern mit dem Rest des Silbers und Goldes zu
tun gut erscheint, wie es eurem Gott gefällt, sollt ihr tun. Die Geräte
aber, die dir für de» Dienst im Tempel deines Gottes gegeben worden,
liefere vor dem Gott in Jerusalem vollständig ab. Was du sonst noch
an Bedürfnissen für den Tempel deines Gottes zu bestreiten haben
wirst, sollst du aus dem königlichen Schatzhanse bestreiten."