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geopfert. So hatte schon Kyrus selbst auch die Erlaubnis zum Aufbau
des Jerusalemer Tempels gegeben. Ueberall haben die Perser ihre
Herrschaft auf die Sympathie der Priesterschaften der alteingesessenen
nationalen Kulte begründet. Sie waren die erste Weltmonarchie, die
den Altar als Stütze des Thrones benutzte.
Das Gesetzbuch der Priesterschrift.
Das Gesetzbuch, von dem die Urkunde des Perserkönigs im Jahre
458 sprach, und das im Jahre 446 in feierlicher Volksversammlung
in Jerusalem verlesen ward, ist aus dem heutigen Text des zweiten
bis vierten Buches Mose mit ziemlicher Leichtigkeit herauszuschälen.
Zwar darf man nicht ohne weiteres alles, was nicht zum Jahwisten
oder Elohisten oder ihren Bearbeitern gehört, als eine einheitliche Schrift
auffassen und zu verstehen suchen, Inte man das int Ansang der litera
rischen Untersuchungen der Fünf Bücher Mose zu vorschnell getan hat.
Man hat da neben Jahwist, Elohist und dem Gesetz von 623 nur noch
den „Priesterkodex" gekannt, wie man den Rest der Gesetze seines kul
tischen Inhaltes wegen genannt hat. Aber auch dieser Priesterkodex
ist keine einheitliche'Schrift, ebensowenig wie die drei anderen Grund
lagen unseres heutigen Textes sich uns als einheitliche Schriften er
wiesen haben. Vielmehr hat eine genauere Zergliederung dieses angeb
lichen Priesterkoder ergeben, daß auch er aus einer einheitlichen Grund
schrift besteht, in die eine ganze Reihe einzelner selbständiger Gesetzes-
nnd Spruchreihen nachträglich hineingesetzt sind, die sich aber durch be
sondere Ueberschrifteu, Wiederholungen und Widersprüche im einzelnen
regelmäßig als ursprünglich selbständige Gebilde erweisen. Erst wenn
man diese späteren Zutaten vorläufig herausläßt, erkennt man den
Zusammenhang und den ursprünglichen Grundgedanken der einheitlichen
Schrift, in die sie eingesetzt worden sind. Und dann erkennt man sofort,
daß man in dieser Schrift wirklich das Gesetzbuch des Esra gefunden hat.
Diese Schrift nämlich hat rein vom öffentlichen Kultus, von den
Priestern und Opfern im Tempel gehandelt, wie wir das nach der Dar
stellung der persischen Urkunde erwarten dürfen. Und sie hat zugleich
zum ersten Male vom Wohnen in Laubhütten beim Herbstfest gesprochen,
genau wie es in dem Bericht vom Jahre 446 aus dem Gesetzbuch
wörtlich zitiert wird, und wovon ausdrücklich gesagt wird, daß man es
bisher niemals gekannt hatte. Diese Schrift ist aber zugleich, wie Stil,
Zusammenhang und Anschauungen zeigen, von vornherein niemals etivas
anderes gewesen, als das wesentlichste Stück jener Priesterschrift, dir wir
von den Schöpfungsgeschichten an bis auf Mose so oft haben erwähnen
müssen. Der Priester Esra in Babylon ist also der Verfasser dieser
Priesterschrift gewesen und hat sie vor dem Jahre 458 zum Zwecke einer
Kultusreform für den Jerusalemer Tempel geschrieben. Alles, was
wir früher über Zeit und Charakter der Priester-schrift aus den einzelnen
Geschichten selbst hatten erschließen können, findet damit eine glückliche
Bestätigung und nähere Präzisierung.
Der gesetzliche Teil dieser Priesterschrift knüpft an die Erzählung
des Elohisten nn, wonach Mose 40 Tage bei Jahwe auf dem Sinai —
so sagt sie wieder statt Gottesberg Horeb — war und dort die grund
legende Offenbarung empfing. Dort hat er nach der Darstellung des
Esra das Vorbild und Urbild des Jerusalemer Tempels gesehen. Na
türlich nicht in Form eines Tempels, das wäre ein gar zu großer Wider
spruch gegen den Wüstenaufenthalt gewesen, sondern in Form eines