Full text: Die Propheten (6)

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brauchten sie nicht zn beachten. Sie waren nicht theoretisch Mono 
theisten (Gläubige an einen Gott); aber praktisch kam für ihre 
Frömmigkeit nur dieser eine, eben ihr Stammgott, in Frage. 
NB. Die nähere Ableitung und Begründung der in diesem und dein 
vorigen Abschnitt kurz zusammengestellten Tatsachen steht in den früheren 
Untersuchungen. Es kommen hier vor allein folgende Abschnitte in Betracht: 
Israels Ansiedelung in Kanaan; Die zwölf Söhne Jakobs; Der ursprüngliche 
Jahwe; Die Gesetzgebung ailf dein Sinai. 
Die Götter von Kanaan. 
AIs die Israeliten in Kanaan einbrachen, hatte hier bereits seit 
lange eine relativ hoch entwickelte Kultur bestanden: Weizenfelder, 
Oelgärten, Weinberge, Feigenpflanzungen, nmmauerte Bauernstädte 
unter der Herrschaft von Stadtkönigen, eiserne Streitwagen, von 
Pferden gezogen — das Pferd war den damaligen Beduinen noch 
fremd —, Handelsverkehr, Lesen und Schreiben, bei den Phöniziern 
auch eine relativ hoch entwickelte Kunst. Bei diesem großen Vorsprung 
rn der allgemeinen Kultur ist es selbstverständlich, daß auch die 
kanaanäische Religion der damaligen israelitischen weit überlegen ge- 
wesen sein muß. Und alles, was wir über sie wissen, bestätigt diese 
Vermutung durchalls. 
Auch die kanaanäische Religion ist entstanden, ivie alle Gottesvor 
stellungen überhaupt, nämlich ans der Anschauung von Natnrgegen- 
ständen oder Naturerscheinungen, deren Vorhandensein man sich ilicht 
zu erklären wußte: der uralte Baum, der trotz seines unvorstellbar hohen 
Alters immer noch grünt, der Felsblock, der unvermittelt mitten im 
Tal liegt, der Quell in der Wüste und vieles andere mehr, das alles 
hat Anlaß gegeben, bestimmte Gottesnamcn zu bilden und bestimmte 
Gegenden als heilige statten dieser bestimmten Gottheit zu verehren. 
Aber auch für Kanaan liegt diese älteste Stufe der Religion weit vor 
der Erinnerung geschichtlich erfaßbarer Menschen. Sie wirkt in die ge 
schichtliche Zeit nur noch nach durch die verschiedenen Götternamen und 
die Existenz der verschiedenen Heiligen Stätten. Der Ursprung dieser 
Namen und Stätten aber war längst vergessen. 
Daß alle diese verschiedenen Lokalgötter und Lokalheiligtümer sich 
bis in die geschichtliche Zeit überhaupt erhalten konnten, hat in den wirt 
schaftlichen und politischen Verhältnissen Kanaans seinen Grund. Die 
ursprüngliche Bauernwirtschaft wirkt überall in der Welt dezentrali 
sierend: sie kennt wenig Verkehr, wenig Kauf und Verkauf und stellt 
in der Bedarfsdeckung jedes Dorf und jede Stadt zunächst auf den 
Ertrag ihrer eigenen Aecker und Gärten. Dazu kommt für Kanaan noch 
eine starke politische Zersplitterung. Solange nicht die harte Hand der 
ägyptischen Militärmonarchie das Land in einheitlicher Verwaltung 
hielt, hat fast jede Stadt mit den umliegenden Dörfern zusammen auch 
eine selbständige politische Einheit gebildet. Daraus ergab sich die Not- 
wendigkeit einer großen Menge kleinerer und größerer Heiligtümer von 
selbst, die über das ganze Land zerstreut liegen mußten. Tatsächlich 
haben denn auch, wie spätere israelitische Schriftsteller sagten, „auf 
jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum" altkanaanäische 
Altäre gestanden. 
Aber die kanaanäische Religion war doch schon längst dazu über 
gegangen, wenn auch nicht im Kultus, so doch in der Phantasie itnb in der 
Benennung, alle diese verschiedenen Lokalgötter als Erscheinungsformen
	        
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