Full text: Die Propheten (6)

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Jahwe verdrängt die Götter des Landes. 
Und diese Glut für Jahwe war nicht nur die Stimmung eines 
Momentes: sie muß mindestens anderthalb Jahrhunderte das Gemüt 
der Israeliten völlig beherrscht haben. Fast alle Städte, in denen 
Israel später lebte, hat es den Kanaanäern in blutigem Kampfe ent 
rissen. Schon vor dem Debora-Lied haben diese Kämpfe begonnen, 
und noch lange nachher haben sie angedauert. Mindestens ein halbes 
Jahrhundert nach dem Siege, den das Debora-Lied preist, hat Gideons 
Sohn Abimelcch mehrere kanaanäische Städte auf dem Gebirge Ephraim 
unterworfen, unter ihnen Sichem, das Wohl von altersher die be 
deutendste Stadt des Gebirges war: So lange also hatten diese Städte 
noch ihre Selbständigkeit zu behaupten vermocht. 
Was der späteren Josua-Sage als ein einzelner Feldzug von 
wenigen Wochen erschien, ist demnach in Wirklichkeit eine Periode 
gewesen, die viele Jahrzehnte, vielleicht auch länger als ein Jahr 
hundert gedauert hat, eine Periode voll lauter einzelner Kämpfe und 
Siege, freilich, wie das Debora-Lied zeigt, gelegentlich auch voll emp 
findlicher Niederlagen. Und immer wieder mußte in diesen Kämpfen 
dieselbe Stimmung entstehen, die aus dem Debora-Lied spricht. 
Und noch während diese Kämpfe tobten, traten neue kriegerische 
Aufgaben an die Israeliten heran: sie hatten das Land gegen aus 
wärtige Feinde zu schützen. Gideon schlägt die Midianiter, den Be 
duinenstamm aus der Wüste, mit dem einst Israel gemeinsam den 
Jahwe vom Sinai angebetet hatte. Jephta drängt die Ammoniter 
zurück. Im Kampf »nt denselben Feinden aus dem Ostjordanland 
kommt das Königtum L-auls in die Höhe. Seine Hauptaufgabe aber 
ist der Krieg gegen die Philister, die von Westen, von der Ebene her, 
gegen das israelitische Land herandrängten. Auch diese Kämpfe füllen 
mehr als dreißig Jahre. Erst David, der junge judäische König, 
hat die Philister endgültig zurückgedrängt und eine neue Periode ver 
hältnismäßig friedlicher Zeiten eröffnet. 
so dürfen wir im ganzen fast zwei Jahrhunderte für die kriege 
rische Periode der Eroberung der Städte und der Behauptung im Lande 
veranschlagen (rund von 1200 bis 1000 vor Christus). Und in dieser 
ganzen Zeit ist die Stimmung kaum eine andere gewesen, als wie wir 
sie aus deni Debora-Lied kennen. Der Krieg ist noch vollkommen Volks 
krieg, mit ungeregelter Erhebung und unter Führung dessen, der durch 
seine Begeisterung die anderen mitzureißen versteht. 
Gideon hat Blutrache gegen die Häuptlinge der Ammoniter zu 
üben, die seine Brüder erschlagen haben. Er stößt in die Posaune 
und erhebt den Schlachtruf: Hier Schwert Jahwes und Gideons! Mit 
den 300 Mann 'seiner Sippe schlägt er die Feinde in die Flucht. Jephta 
ist ein abenteuernder Freibeuter, vorher aus seiner Sippe vertrieben, in 
der Stunde der Not freiwillig zurückgerufen. Saul ist ein unselb 
ständiger Haussohn im Haushalt des Vaters. Aber als er den Hilfe 
ruf einer israelitischen Stadt vernimmt, kommt Jahwes Geist über 
ihn: er zerstückelt ein Joch Rinder, schickt die Stücke in ganz Israel 
umher und läßt ausrufen: „Wer nicht auszieht hinter Saul her, dessen 
Rindern wird es also ergehen." (1. Samnelis 11, 7.) Da fiel ein 
Jahwe-Schrecken auf alles Volk, und ivie ein Mann schatten sie sich 
hinter Saul. Die Erhebung geht noch ganz ebenso vor sieh wie in den 
Tagen des Barak und der Debora. Die Begeisterung ersetzt noch ganz 
die Disziplin und die geregelte Kommandogewalt. Und in der Begeiste 
rung erlebt man Jahwe, und Jahwe allein!
	        
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