Full text: Die Propheten (6)

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Mit der Vorstellung, daß Jahwe der Herr Kanaans sei, war nun 
auch die Vorbedingung dazu gegeben, daß man den ganzen Kultus, 
den man im Lande beging, als einen Dienst für Jahwe verstand. Die 
uralten Heiligtümer im Lande blieben bestehen. An den Formen des 
Kultus ward nichts geändert. Wo die alten Götternamen in -Opfer 
sprüchen oder Schwurformeln einmal altüberliefert waren, blieben sie 
stehen. Aber die Phantasie dachte bei ihnen doch immer mehr nur an 
den einen und einzigen Jahwe. „An allen Stätten, da ich meinen 
Namen wohnen lasse, will ich zu dir kommen und dich segnen", hat ein 
alter Jahwe-Spruch gelautet. 
Jahwe trat damit ganz in die Rolle hinüber, die Baal oder 
Elohim für die Kanaanäer dargestellt hatte. In dieser Zeit, im letzten 
Jahrhundert vor David, muß es gewesen sein, daß man sich gewöhnte, 
Jahwe und Elohiin als zwei Worte für dieselbe Person zu gebrauchen. 
Jahwe wurde die Zusammenfassung all der verschiedenen Els, die man 
im Lande verehrte. Wenn man nicht umhin konnte, den Namen des 
einzelnen El zu nennen, so gewöhnte man sich zu sagen: „Der Jahwe, 
der an dieser Stelle erscheint", heißt El Roi oder El Olam oder ähn 
lich. So bat, wie wir wissen, noch zwei Jahrhunderte später sogar 
der Jahwist geschrieben. Tie Formel selbst aber muß älter sein als 
dieses Buch. Sie spricht von Jahwe ganz so, wie einst die Kanaanäer 
den Ausdruck Baal gebraucht hatten. So mag sie ebenfalls im letzte:: 
Jahrhundert vor David entstanden sein. 
In dieser Tatsache, daß Jahwe, der Kriegsgott, wenn auch nicht 
für den Kultus, so doch für die Phantasie der Israeliten die Götter 
des Landes völlig verdrängte und in sich aufnahm, liegt die wichtigste 
Vorbedingung für den späteren Monotheismus der Israeliten. Die 
Eigenart ihrer Geschichte und ihrer Ansiedelungsweise hatte dazu ge 
führt, daß für ihre wirkliche Religion nur ein einziger Gottesname 
in Uebung blieb. 
Nicht als ob sie deshalb das Vorhandensein anderer Götter schon 
damals grundsätzlich geleugnet hätten. Im Gegenteil, außerhalb 
Kanaans herrschten andere Götter. Eben deshalb war das Ausland 
für die Jahwe-Verehrer „unreines Land" (Amos 7, 17), und war es der 
größte Schrecken, von Jahwes Heimat ausgestoßen zu sein. Noch in der 
ziemlich jungen Niederschrift der Jephta-Sage, die unser Buch der Richter 
enthält, sagt der Held zu dem König der Moabiter: „Wen Kamos, dein 
Gott, vor dir vertreibt, den verdrängst du aus seinem Besitz. Und wen 
Jahwe, unser Gott, vor uns vertreibt, den verdrängen wir aus seinem 
Sitz." (Richter 11, 4.) Kamos von Moab und Jahwe von Israel er 
scheinen beide als richtige und gleichberechtigte Götter. Jener steht zu 
Moab nicht anders, wie dieser zu Israel. Aber gerade daraus folgt, 
daß für jedes der beiden Völker nur sein Gott praktisch in Betracht 
kommt. In Kanaan herrscht Jahwe, in: Moabiterland Karnos. Ein 
Moabiter darf nicht zu Jahwe beten, und ein Israelit nicht zu Kamos. 
Die praktische Frömmigkeit kennt in beiden Völkern nur je einen ein- 
zigen Gott. 
Noch also stand die religiöse Entwickelung in Israel nicht höher 
als bei den Nachbarvölkern. Aber es war wenigstens die formelle Mög 
lichkeit da, bei weiterer Entwickelung des Denkens und Fühlens den 
Glauben an einen überhaupt einzigen Gott zu bilden.
	        
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