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Mit der Vorstellung, daß Jahwe der Herr Kanaans sei, war nun
auch die Vorbedingung dazu gegeben, daß man den ganzen Kultus,
den man im Lande beging, als einen Dienst für Jahwe verstand. Die
uralten Heiligtümer im Lande blieben bestehen. An den Formen des
Kultus ward nichts geändert. Wo die alten Götternamen in -Opfer
sprüchen oder Schwurformeln einmal altüberliefert waren, blieben sie
stehen. Aber die Phantasie dachte bei ihnen doch immer mehr nur an
den einen und einzigen Jahwe. „An allen Stätten, da ich meinen
Namen wohnen lasse, will ich zu dir kommen und dich segnen", hat ein
alter Jahwe-Spruch gelautet.
Jahwe trat damit ganz in die Rolle hinüber, die Baal oder
Elohim für die Kanaanäer dargestellt hatte. In dieser Zeit, im letzten
Jahrhundert vor David, muß es gewesen sein, daß man sich gewöhnte,
Jahwe und Elohiin als zwei Worte für dieselbe Person zu gebrauchen.
Jahwe wurde die Zusammenfassung all der verschiedenen Els, die man
im Lande verehrte. Wenn man nicht umhin konnte, den Namen des
einzelnen El zu nennen, so gewöhnte man sich zu sagen: „Der Jahwe,
der an dieser Stelle erscheint", heißt El Roi oder El Olam oder ähn
lich. So bat, wie wir wissen, noch zwei Jahrhunderte später sogar
der Jahwist geschrieben. Tie Formel selbst aber muß älter sein als
dieses Buch. Sie spricht von Jahwe ganz so, wie einst die Kanaanäer
den Ausdruck Baal gebraucht hatten. So mag sie ebenfalls im letzte::
Jahrhundert vor David entstanden sein.
In dieser Tatsache, daß Jahwe, der Kriegsgott, wenn auch nicht
für den Kultus, so doch für die Phantasie der Israeliten die Götter
des Landes völlig verdrängte und in sich aufnahm, liegt die wichtigste
Vorbedingung für den späteren Monotheismus der Israeliten. Die
Eigenart ihrer Geschichte und ihrer Ansiedelungsweise hatte dazu ge
führt, daß für ihre wirkliche Religion nur ein einziger Gottesname
in Uebung blieb.
Nicht als ob sie deshalb das Vorhandensein anderer Götter schon
damals grundsätzlich geleugnet hätten. Im Gegenteil, außerhalb
Kanaans herrschten andere Götter. Eben deshalb war das Ausland
für die Jahwe-Verehrer „unreines Land" (Amos 7, 17), und war es der
größte Schrecken, von Jahwes Heimat ausgestoßen zu sein. Noch in der
ziemlich jungen Niederschrift der Jephta-Sage, die unser Buch der Richter
enthält, sagt der Held zu dem König der Moabiter: „Wen Kamos, dein
Gott, vor dir vertreibt, den verdrängst du aus seinem Besitz. Und wen
Jahwe, unser Gott, vor uns vertreibt, den verdrängen wir aus seinem
Sitz." (Richter 11, 4.) Kamos von Moab und Jahwe von Israel er
scheinen beide als richtige und gleichberechtigte Götter. Jener steht zu
Moab nicht anders, wie dieser zu Israel. Aber gerade daraus folgt,
daß für jedes der beiden Völker nur sein Gott praktisch in Betracht
kommt. In Kanaan herrscht Jahwe, in: Moabiterland Karnos. Ein
Moabiter darf nicht zu Jahwe beten, und ein Israelit nicht zu Kamos.
Die praktische Frömmigkeit kennt in beiden Völkern nur je einen ein-
zigen Gott.
Noch also stand die religiöse Entwickelung in Israel nicht höher
als bei den Nachbarvölkern. Aber es war wenigstens die formelle Mög
lichkeit da, bei weiterer Entwickelung des Denkens und Fühlens den
Glauben an einen überhaupt einzigen Gott zu bilden.