Full text: Die Propheten (6)

Unkenntlichkeit herabgestimmt und vermenschlicht worden. Man sprach 
nicht mehr vom Kampf des Gottes mit dem Ungeheuer der Tiefe, nicht 
mehr von seinem Schelten und Fesseln des Meeres, sondern nur noch von 
den: klug bauenden und ordnenden Hausvater, der in mehrfachen Ab 
sähen die Menschen, Pflanzen und Tiere gebildet habe, und zuletzt das 
Weib, dessen Zweck und Ziel die Vereinigung mit dem Manne sei. llnd 
der Mann ist der Bauer, der seinen Acker eigenhändig bestellt. 
Freilich hat dabei Jahwe, wie wir früher ausführlich gesehen haben, 
mehrere Züge erhalten, die ihn recht menschlich-kindlich erscheinen lassen. 
Er formt mit seinen Fingern feuchten Lehm; er arbeitet, wird müde 
und ruht sich aus; er irrt sich und muß den Versuch, dem Menschen eine 
Gesellschaft zu geben, noch einmal wiederholen; er beschließt, alles Ge 
schaffene wieder zu vernichten, und findet sich schließlich doch mit der 
allgemeinen Unzulänglichkeit seiner Schöpfung ab. Das sind Züge, die 
teils aus dem babylonischen Urmythus stammen, dort aber auf mehrere 
Götter verteilt waren, teils einer etwas zu weit getriebenen Herab 
stimmung des Mythus entspringen. Gerade sie zeigen am besten, wie 
sehr diese israelitische Bauern-Schöpfungsgeschichte von den: wirklich 
ursprünglichen Denken altertümlicher Menschen schon fern ist. 
Als Salomo den Jahwe-Tempel auf dem Zion baute (um 950 vor 
Christus), hat er ihn noch ganz mit den phantastischen Gestalten aus 
schmücken lasse», die der echte alte Drachenmythus ihn an die Hand 
gab. Wenige Jahrzehnte später muß diese israelitische Schöpfungs 
geschichte erzählt worden sein. So nahe stoßen auch hier die mythische 
und die dem Natürlich-Begreifbaren zustrebende Denkweise aufeinander. 
Jahwe, der Volksgott. 
Diese ersten Anfänge des natürlichen Denkens bedeuten eine starke 
Vergrößerung und Vereinheitlichung der Gottesvorstellung. Indem für 
sie praktisch nur Jahwe in Betracht kommt, und indem Jahwe durch 
natürliche Ursachen wirkt, bilden sie eine Vorbedingung zuin eigent 
lichen Monotheismus, d. h. zu dem bewußten Entschluß, Jahwe allein 
als wirklichen Lenker der Welt und alle andere,: Götter als Götzen, als 
Nichts, als Schein und Lüge zn betrachten. Eine Vorbedingung, aber 
noch nicht mehr! Gerade jene ältesten Geschichtsdarstellungen zeigen, 
daß ihre Verfasser durchaus noch der Meinung waren, daß neben Jahwe 
auch andere Götter existieren. Die Abimelech-Geschichte spricht harinlos 
vom „Baal des Bundes" als den: Gotte der Kanaanäer von Sichen:; die 
Saul-David-Legende kennt die Klage des Helden, daß er aus Kanaan 
fort, in den Bereich anderer Götter vertrieben werde. Und wenn die 
Schöpfungsgeschichte selbst auf andere Götter nicht mehr Bezug nimmt, 
so zeigt das eben nur, daß für den israelitischen Kleinbauern, der nur 
sich, sein Weib und seinen Acker kannte, andere Götter als Jahwe nicht 
in Betracht kamen. Ein bewußtes Bekenntnis zum Monotheismus im 
philisophischen Sinne darf man in der harinlosen Geschichte nicht suchen. 
So sind denn auch die Erzeugnisse dieser Zeit von einer sittlichen 
Durchbildung der Gottesvorstellung noch vollkommen fern. Jahwe hat 
Freude an List und Betrug, wenn sein Volk dabei Vorteil hat. Der be 
trügende Jakob hat noch auf lange hinaus keinen Anstoß bei den 
Frommen seines Volkes erregt. Erst um 750 hören wir von einer Ver- 
werfung der Jakob-Geschichten aus sittlichen Gründen. Die Zeit, die 
uns hier zunächst noch beschäftigt, das Jahrhundert nach David, hat
	        
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