Imbon noch nichts gefühlt. Aehnliches zeigt der „Segen des Jakob":
Juda und Benjamin werden wegen ihres „Raubes" gepriesen; und wenn
Simeon und Levi wegen ähnlicher Gewalttat verflucht werden, so doch
nur deshalb, weil ihre Tat nicht den gewünschten Erfolg hatte. So
hatte auch das Debora-Lied über die Tat der Jaöl gejubelt, die dem
feindlichen König auf der Flucht das Gastrecht geboten und ihn dann
von hinten erschlagen hatte.
„Inneres Leben" im Sinne der späteren Frömmigkeit war dieser
Zeit noch völlig fremd. Jahwes Segen oder Jahwes Gnade bedeutete
fettes Land, ordentlichen Regen, saftige Ernte an Korn und Wein, Wein
und Milch in Fülle. Jahwe segnet durch Fruchtbarkeit an Menschen,
Acker und Vieh. Man lebte noch ganz in der Wirklichkeit des Genusses.
Und das höchste Ideal war, zu sterben im Kreise von Hindern und
Kindeskindern, alt und lebenssatt.
Man wußte seit lange, daß Jahwe im Himmel lebe. Schon die
Kain-Abel-Sage hat diese Vorstellung vertreten. Und schon die Ueber
nahme der kanaanäischen Dichtung von Elohim und der Himmelsleiter
von Bethel mußte diese Vorstellung nahelegen. Für Jahwe, den Gewitter
gott, der den Regen sendet, und für den die Sterns vom Himmel herab
kämpfen, war es nicht schwer, diese kanaanäische Vorstellung anzunehmen.
Trotzdem aber blieb, wie gerade die Kain-Abel-Erzählung zeigt, Kanaan
das Land, in dem allein man Jahwes Angesicht suchen konnte. Achnlich
hat der Tempelweihespruch des Salomo die Vorstellungen vom Himmcls-
gott mit der eines bestimmten Wohnsitzes auf Erden verbunden: „Die
Sonne hat Jahwe ans Himmelszelt gestellt; er selbst aber hat gesagt,
im Dunkeln wolle er wohnen. So hab ich ein Haus dir gebaut als
Wohnung, eine Wohnstätte für dich auf ewige Zeiten." (1. Könige 8,
12—13.) Jahwe wohnt in dem Tempel auf dem Zion; trotzdem gilt
er als der Gott, der auch Sterne und Himmel geschaffen hat.
So zeigt diese Stufe der israelitischen Religwn ein merkwürdiges
Ineinander von fortgeschrittenen und altertümlichen Gedanken. Durch
die Umstimmung des geistigen Lebens zu natürlichem Denken wuchs
Jahwe langsam und unmerklich über dies eine Volk und dies eine Land
hinaus zum Lenker der ganzen Welt und der ganzen Menschheitsgeschichte.
Und doch blieb er für das Gefühl seiner Verehrer unlöslich mit Volk
und Land, mit diesen Menschen und diesen Heiligtümern verbunden.
Es mußte noch eine weite Strecke in der Entwickelung zurückgelegt
werden, bis diese Verbindung sich löste; und dann erst konnte sich die
ganze Kraft des Welt-Gott-Glaubens entfalten. Erst dadurch ist die
israelitische Religion zu dem Glauben geworden, der eineu weltgeschicht
lichen Einfluß ausüben sollte. Daß es aber dazu kam, dafür sind die
sozialen Wandlungen maßgebend gewesen, die sich im Jahrhundert nach
David anbahnten, und die im neunten Jahrhundert vor Christus zu
. wirken begannen.